Project Description

BGH, Urteil vom 30.11.2022 – IV ZR 60/22 – “Dem Pflichtteilsberechtigten kann auch nach Ausschlagung seines Erbteils ein Auskunftsanspruch zustehen


Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 30.11.2022 – IV ZR 60/22 die bislang streitige Frage entschieden, ob nach Ausschlagung des Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1 BGB der dann Pflichtteilsberechtigte Auskunftsansprüche nach § 2314 BGB geltend machen kann und dies bejaht. Dieser Auskunftsanspruch steht nach dem Wortlaut des Gesetzes dem „Pflichtteilsberechtigten, der nicht Erbe ist“ zu. Daher wurde die nunmehr vom BGH positiv entschiedene Frage diskutiert, ob derjenige, der zunächst Erbe ist und erst durch die Ausschlagung zum Pflichtteilsberechtigten wird auch einen entsprechenden Auskunftsanspruch geltend machen kann.

In dem zur Entscheidung vorliegenden Fall hatte der Kläger nach dem Tod seines Vaters das Erbe ausgeschlagen, da sein Erbteil mit einem Grundstücksvermächtnis und einer Testamentsvollstreckung belastet war. Grundsätzlich kann nach einer Ausschlagung des Erbes ein Pflichtteilsanspruch nicht geltend gemacht werden, da Voraussetzung für den Pflichtteilanspruch ist, dass eine Enterbung durch letztwillige Verfügung erfolgt ist. Ausnahmsweise sieht das Gesetz in § 2306 Abs. 1 BGB aber die Möglichkeit vor, dass ein Erbteil bei Beschränkungen wie z.B. einer Testamentsvollstreckung oder Beschwerungen wie bei einem Vermächtnis ausgeschlagen wird, ohne dass der Pflichtteilsanspruch verloren geht. In der Rechtsprechung umstritten war aber bislang, ob dem seinen Erbteil nach § 2306 Abs. 1 BGB ausschlagenden Pflichtteilsberechtigten ein Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB zusteht. Denn vertreten wurde, dass diese Vorschrift nicht auf Personen anzuwenden ist, die durch Ausschlagung des Erbes nicht als Erben anzusehen sind, da sich der Erbe bis zur Ausschlagung selbst Information verschaffen kann und keinen Auskunftsanspruch gegenüber Miterben hat, sodass die Ausschlagung des Erbes nicht dazu dienen dürfe, seine Stellung im Auskunftsverfahren zu verbessern. Dem ist der Bundesgerichtshof nunmehr entgegengetreten und hat bestätigt, dass auch nach einer Ausschlagung des Erbteils Auskunftsansprüche bestehen. Denn nach § 1953 Abs. 1 BGB verliert der Ausschlagende rückwirkend seine Erbenstellung und wird damit so behandelt, als ob er nie Erbe geworden wäre. Damit stehen ihm aber auch die Auskunftsansprüche des Pflichtteilsberechtigten zu.

Für Erben, die über eine Ausschlagung der Erbschaft aufgrund Beschränkungen oder Beschwerungen nachdenken ist das Urteil eine positive Entwicklung, da sie sich nicht mehr innerhalb der nur sehr kurzen Ausschlagungsfrist von 6 Wochen nach Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen Informationen über das Erbe verschaffen müssen und sich vielmehr darauf verlassen können, dass sie auch nach der Ausschlagung von den Erben Auskunft nach § 2314 BGB verlangen können. Da dies häufig sehr zäh ist, sollte aber natürlich gleichwohl versucht werden, bis zur Ausschlagung möglichst viel an Informationen zu beschaffen.