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OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 01.02.2022 – 12 U 2148/21 – “Darf dem Schadengutachten getraut werden?“


Bei Beschädigung eines Kraftfahrzeuges besteht zur Ermittlung des entstandenen Schadens grundsätzlich die Berechtigung zur Beauftragung eines eigenen Schadensgutachtens. Die diesbezüglichen Kosten sind nach der Haftungsquote durch den Schädiger bzw. dessen Versicherer zu bezahlen. Bei Beschädigung eines Kraftfahrzeuges ist der Inhalt eines Gutachtens dahingehend geklärt, dass die voraussichtlich erforderlichen Reparaturkosten zur vollständigen Wiederherstellung, der sogenannte Wiederbeschaffungswert und ein Restwert, dieser durch drei verbindliche Angebote auf dem regionalen Markt, zu ermitteln sind. Weitere Bestandteile können die Ermittlung eines Minderwertes bei vollständiger Reparatur sowie die Höhe von Mietwagenkosten/Nutzungsausfallentschädigung sein.

Durch das Oberlandesgericht Koblenz war in der Berufungsinstanz über einen Sachverhalt zu entscheiden, wonach sich aus dem durch den Geschädigten beauftragten Gutachten ein wirtschaftlicher Totalschaden ergeben hat. Der Geschädigte hat über seinen Anwalt das Gutachten an die gegnerische Versicherung weitergeleitet, mit Hinweis darauf, dass ohne Rückäußerung innerhalb einer angemessenen Frist das Fahrzeug nach Maßgabe des Gutachtens, mit dem dort ermittelten Restwert, veräußert wird. Eine Reaktion der Versicherung ist innerhalb der angemessenen Frist nicht erfolgt. Im Nachhinein hat die Versicherung des Schädigers geringere Reparaturkosten ermittelt, sodass bei Richtigkeit dieser Beträge kein wirtschaftlicher Totalschaden mehr vorlag, auf dieser Grundlage hat die Versicherung abgerechnet. Der Geschädigte hatte zu diesem Zeitpunkt sein Fahrzeug jedoch bereits verkauft, nunmehr wurde die Differenz gegenüber der Abrechnung nach Gutachten, als Totalschaden, gerichtlich geltend gemacht. Mit einem Hinweisbeschluss vom 1. Februar 2022 – 12 U 2148/21 hat das OLG Koblenz darauf hingewiesen, dass nach dem Sachverhalt kein Verstoß des Geschädigten gegen die Verpflichtung zur Schadensgeringhaltung vorliegt, dieser vielmehr auf das aus seiner Sicht korrekte Gutachten vertraut werden durfte, sodass die weiter geforderte Zahlung von ca. EUR 3.000,00 zu erbringen ist. Offen gelassen wurde, ob es zum selben Ergebnis gekommen wäre, soweit der Versicherung des Schädigers nicht das Gutachten vor der Veräußerung, mit entsprechender Fristsetzung, übersandt worden wäre. Dabei wurde betont, dass eine Verpflichtung zur entsprechenden Vorlage grundsätzlich nicht besteht.

Die Entscheidung zeigt, dass im Regelfall auf ein Schadensgutachten, durch den Geschädigten beauftragt, vertraut werden darf, selbst wenn dieses sich als fehlerhaft erweisen sollte.