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BGH, Urteil vom 26.02.2020 – XII ZR 51/19 – “BGH zum Ausschluss des Konkurrenzschutzes in einem Einkaufszentrum und zur Schriftform“


Mit einer besonders wichtigen Entscheidung vom 26.02.2020 – XII ZR 51/19 hat der Bundesgerichtshof gleich zu mehreren bislang heftig umstrittenen Rechtsfragen Stellung genommen, die in der Praxis von außerordentlich großer Bedeutung sind. Gegenstand des Urteils ist die Frage der Einhaltung der gesetzlichen Schriftform, der vertragsimmanente Konkurrenzschutz in einem Einkaufszentrum und der formularmäßige Ausschluss des Konkurrenzschutzes in einem Einkaufszentrum bei gleichzeitiger Festlegung einer Betriebspflicht mit Sortimentsbindung. Der Bundesgerichtshof entscheidet zur Schriftform, dass das Hinzusetzen eines Firmenstempels zu der Unterschrift eines von mehreren gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführern nicht zur Wahrung der gesetzlichen Schriftform genügt, wenn die Urkunde aufgrund ihres sonstigen Erscheinungsbildes nicht den Eindruck der Vollständigkeit erweckt. Ferner führt der Bundesgerichtshof aus, dass ein vertragsimmanenter Konkurrenzschutz grundsätzlich auch für Mieter in einem Einkaufszentrum bestehen kann. Schließlich sagt der Bundesgerichtshof, dass der formularmäßige Ausschluss des Konkurrenzschutzes in einem Einkaufszentrum bei gleichzeitiger Festlegung einer Betriebspflicht mit Sortimentsbindung den Mieter unangemessen benachteiligt und unwirksam ist.

  1. Schriftform

Ein Mietvertragsnachtrag wird für die Mieterin, die nach dem Rubrum des Nachtrags durch zwei gesamtvertretungsberechtigte GmbH-Geschäftsführer vertreten wurde, nur von einem der Geschäftsführer unter Beifügung des Firmenstempels auf dem für ihn vorgesehenen Unterschriftsfeld unterzeichnet. Ein zweites Feld, das für die Unterschrift des zweiten Geschäftsführers der Mieterin vorgesehen war, blieb leer. Der Bundesgerichtshof nimmt an, dass wegen der fehlenden Unterschrift des zweiten Geschäftsführers die gesetzliche Schriftform nicht eingehalten ist. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass, wenn eines der zur gemeinschaftlichen Vertretung berufenen Organmitglieder einer Gesellschaft den Vertrag unterzeichnet, die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt ist, wenn auch die übrigen Organmitglieder unterzeichnen oder die Unterschrift den Hinweis enthält, dass das unterzeichnende Organmitglied auch diejenigen Organmitglieder vertreten will, die nicht unterzeichnet haben (BGH NJW 2010, 1453 Rn. 13 f.; BGH NJW 2003, 3053, 3054 und BGH NJW 2002, 3389, 3391). Das gilt aber nur, wenn nach dem Erscheinungsbild der Urkunde die Unterschrift des Unterzeichners in seiner Eigenschaft als Mitglied des mehrgliedrigen Organs abgegeben ist. Nur dann erweckt die Urkunde den Anschein, es könnten noch weitere Unterschriften, nämlich diejenigen der übrigen Organmitglieder, fehlen (BGH NJW 2013, 1082 Rn. 13 f.). Ist die Vertretungsregelung der Kapitalgesellschaft im Rubrum des Mietvertrages angegeben, lässt sich der ohne Vertretungszusatz geleisteten einzelnen Unterschrift grundsätzlich nicht entnehmen, ob die übrigen gesetzlichen Vertreter noch unterzeichnen müssen. Bei einer solchen Gestaltung folgen die Zweifel an der Vollständigkeit der Unterschriftsleistung unmittelbar aus der Urkunde selbst (BGH NJW 2010, 1453 Rn. 17 ff.; BGH NJW 2015, 2034 Rn. 21). Anders liegt der Fall, wenn nach dem Erscheinungsbild der Urkunde der Unterzeichner für sich allein die Berechtigung zum Abschluss des fraglichen Rechtsgeschäfts in Anspruch nimmt und dies durch einen die alleinige Vertretung der Gesellschaft anzeigenden Zusatz kenntlich macht. Ein solcher Zusatz kann in der Verwendung des vom Geschäftsinhaber autorisierten Firmen- oder Betriebsstempels liegen. Das Hinzusetzen eines Stempels zu einer Unterschrift weist denjenigen, der die Unterschrift geleistet hat, als unterschriftsberechtigt für den Stempelaussteller aus. Denn der Geschäftsverkehr misst dem Firmen- oder Betriebsstempel eine Legitimationswirkung bei. Die Abgabe einer unterschriebenen und mit Stempelzusatz abgeschlossenen Erklärung dokumentiert mangels abweichenden Anscheins im Hinblick auf die insoweit relevante äußere Form, mit der geleisteten Unterschrift hinsichtlich dieses Geschäfts zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft berechtigt zu sein und in diesem Sinne handeln zu wollen. Eine so in den Verkehr gegebene Erklärung wirft keinen Zweifel an ihrer Vollständigkeit auf. Daher erfüllt sie die Schriftform (BGH NJW 2013, 1082 Rn. 14 und BGH NJW 2015, 2034 Rn. 22).

Im vom BGH entschiedenen Fall ging aus dem Rubrum des Nachtrags hervor, dass die Mieterin durch zwei gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer vertreten wird. Unterschrieben hat aber nur ein Geschäftsführer unter Hinzufügung des Firmenstempels. Der Bundesgerichtshof nimmt an, der Stempelzusatz könne hier weder so verstanden werden, dass der Unterzeichner mit der geleisteten Unterschrift hinsichtlich dieses Geschäfts zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft berechtigt sei, noch dass er mit seiner Unterschrift zugleich den im Rubrum genannten weiteren gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer vertreten wollte. Durch den Stempelzusatz wird die Urkunde nach ihrem äußeren Anschein nämlich nicht abgeschlossen. Unter dem vollzogenen Unterschriftfeld findet sich ein zweites Unterschriftsfeld mit der maschinenschriftlichen Namensangabe des zweiten Geschäftsführers, welches zur Unterzeichnung durch diesen vorgesehen ist. Dieses Unterschriftsfeld ist leer. Es findet sich auch kein Hinweis etwa in Form eines Vertretungszusatzes für den zweiten Geschäftsführer, in Form einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die bereits geleistete Unterschrift oder in Form einer Durchstreichung dieses Unterschriftsfeldes darauf, dass der Vertragsschluss mit der einen geleisteten Unterschrift für die Mieterseite bereits vollständig vollzogen sei. Ohne einen solchen Hinweis erweckt die Urkunde einen unvollständigen Eindruck, sodass ein möglicher Erwerber des Grundstücks nicht erkennen kann, ob alle erforderlichen Unterschriften geleistet worden sind oder nicht. Daher ist im vorliegenden Fall das Schriftformerfordernis nicht gewahrt. Rechtsfolge ist die ordentliche Kündbarkeit des Mietvertrags, § 550 BGB.

  1. Vertragsimmanenter Konkurrenzschutz in einem Einkaufszentrum

Zu den Hauptleistungspflichten des Vermieters gehört die ungestörte Gebrauchsüberlassung der Mietsache (§ 535 BGB). Diese Pflicht umfasst bei einem Gewerberaumietverhältnis grundsätzlich auch einen vertragsimmanenten Konkurrenzschutz (BGH NJW 1978, 585, 586 und NJW 2012, 844 Rn. 33). Jene hat zum Inhalt, dass der Vermieter grundsätzlich gehalten ist, keine in der näheren Nachbarschaft des Mieters gelegenen Räume an Konkurrenten zu vermieten oder selbst in Konkurrenz zum Mieter zu treten. Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass es bei der Vermietung von Räumen zum Betrieb eines bestimmten Geschäfts zur Gewährung des vertragsmäßigen Gebrauchs gehört, in anderen Räumen des Hauses oder auf in unmittelbarer Nähe angrenzenden Grundstücken des Vermieters kein Konkurrenzunternehmen zuzulassen. Allerdings ist der Vermieter nicht gehalten, dem Mieter jeden fühlbaren oder unliebsamen Wettbewerb fernzuhalten. Vielmehr ist nach den Umständen des einzelnen Falls abzuwägen, inwieweit nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange der Parteien die Fernhaltung von Konkurrenz geboten ist (BGH NJW 2012, 844 Rn. 33 und NJW 1978, 585, 586). Teilweise wurde die Auffassung vertreten (etwa OLG Dresden MDR 1998, 211), in einem Einkaufszentrum bestehe kein vertragsimmanenter Konkurrenzschutz. Der Bundesgerichtshof ist jedoch anderer Auffassung. Er meint, es bestehe kein Anlass, in einem Einkaufszentrum einen geringeren Konkurrenzschutz zu gewähren als bei der Vermietung mehrerer benachbarter Ladenlokale durch denselben Vermieter in einer Geschäftsstraße. Dabei richtet sich der Umfang des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes nach der jeweils berechtigten Verkehrserwartung. So darf in einem kleinen Einkaufszentrum mit nur wenigen Ladenlokalen davon ausgegangen werden, dass der Vermieter für ein möglichst breit gefächertes Angebot sorgt und Sortimentsüberschneidungen vermeidet. Umgekehrt muss der Mieter einer Ladenfläche in einem großen Einkaufszentrum hinnehmen, dass es zu typischen Sortimentsüberschneidungen mit anderen Gewerbetreibenden kommt, zumal die Attraktivität eines großen Einkaufszentrums gerade auch mit der Repräsentanz konkurrierender Angebote steigt. Es ist dann nach dem zur Grundlage des Mietvertrags gemachten Betriebskonzept des Einkaufszentrums eine Frage des Einzelfalls, in welcher Nähe zu seinem eigenen Geschäft der Mieter eine direkte Konkurrenzsituation hinnehmen muss oder abwehren kann.

  1. Formularmäßiger Ausschluss des Konkurrenzschutzes bei gleichzeitiger Festlegung einer Betriebspflicht mit Sortimentsbindung

Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass der formularmäßige Ausschluss des Konkurrenzschutzes in einem Einkaufszentrum bei gleichzeitiger Festlegung einer Betriebspflicht mit Sortimentsbindung den Mieter unangemessen benachteiligt und unwirksam ist.

Gemäß § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Nach dieser Vorschrift ist zwar die formularmäßige Vereinbarung einer Betriebs- und Offenhaltungspflicht für sich genommen im Regelfall nicht nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam (BGH NJW-RR 1992, 1032, 1033 f.). Ebenfalls nicht unangemessen ist für sich genommen eine formularmäßige Abrede, die den Mieter von Gewerberäumen an ein bestimmtes Sortiment bindet (BGH ZMR 2010, 596 Rn. 14 und NJW 2000, 1714, 1717) oder den Vermieter von einer Verpflichtung zum Konkurrenzschutz freistellt (BGH ZMR 2010, 596 Rn. 14). Umstritten war bislang die Frage einer Angemessenheit der genannten Formularbedingungen dort, wo sie unter Einschluss einer Sortimentsbindung kumulativ vereinbart werden. Der Bundesgerichtshof schließt sich jetzt der Meinung an, wonach die Kumulierung der genannten Bedingungen eine unangemessene und nach § 307 BGB unwirksame Benachteiligung des Mieters sei (so bereits OLG Schleswig NZM 2000, 1008 und Guhling/Günter/Menn Gewerberaummiete § 535 BGB Rn. 394). Mit dem formularmäßigen Ausschluss des Konkurrenzschutzes schränkt der Vermieter seine Hauptleistungspflicht ein. Werden durch eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so eingeschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist, ist gemäß § 307 Abs. 2 BGB im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen. So liegt der Fall, wenn in einem typischen Einkaufszentrum durch formularmäßigen Mietvertrag jeglicher Konkurrenzschutz ausgeschlossen, gleichzeitig jedoch dem Mieter eine Betriebspflicht mit Sortimentsbindung auferlegt wird. Wird der Konkurrenzschutz des Mieters vertraglich ausgeschlossen, so verschafft dies dem Vermieter nämlich die Möglichkeit, Konkurrenzunternehmen mit gleichem oder ähnlichen Sortiment in der unmittelbaren Nachbarschaft des Mieters anzusiedeln. Dadurch geraten der Umsatz und die Geschäftskalkulation des Mieters in Gefahr. Ist ihm in dieser Lage zusätzlich eine Betriebspflicht mit Sortimentsbindung auferlegt, fehlt es ihm an Möglichkeiten, sich durch Veränderung des eigenen Angebots an die entstandene Konkurrenzsituation anzupassen oder zumindest durch Verkürzung seiner Betriebszeiten seine Kosten zu reduzieren. Es mag zwar zutreffen, dass die Sortimentsbindung im Interesse der Gesamtheit der Mieter grundsätzlich dem Erhalt des Branchenmix und der Attraktivität des Einkaufszentrums dient. Ermöglichen die Vertragsklauseln jedoch einseitig dem Vermieter, Konkurrenzsituationen herbeizuführen und dadurch den strengen Branchenmix aufzuweichen, beeinträchtigt dies den Mieter unangemessen, wenn jener nicht seinerseits durch entsprechende Sortimentsanpassung reagieren kann. Rechtsfolge der unangemessenen Benachteiligung ist unmittelbar die Unwirksamkeit der betreffenden Klauseln (§ 307 Abs. 1 BGB). Lässt ein Vermieter im Vertrauen auf die Wirksamkeit der formularmäßig vereinbarten Klausel, mit dem der Konkurrenzschutz ausgeschlossen wurde, Wettbewerb zu, stellt dies eine Pflichtverletzung dar, die nach Abmahnung zur Befugnis des Mieters führen kann, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen. Darüber hinaus kann die Verletzung eines bestehenden Konkurrenzschutzes einen Mangel der Mietsache bewirken (BGH NJW 2013, 44 Rn. 35). Daraus können sowohl Ansprüche des Mieters auf Verhinderung oder Beseitigung der Konkurrenzsituation erwachsen als auch eine Minderung oder gegebenenfalls eine Schadensersatzpflicht des Vermieters. Schließlich kann der Mangel, wenn er nicht behoben wird, einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB).