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Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.12.2019 – V ZR 203/18 – “Betrieb eines Eltern-Kind-Zentrums in der WEG zulässig?


In der Teilungserklärung einer WEG ist eine Teileigentumseinheit als „Laden mit Lager“ bezeichnet. In dieser Einheit betreibt der Beklagte (ein e. V.) als Mieter ein sogenanntes Eltern-Kind-Zentrum. Ziel des Vereins ist laut Satzung unter anderem, der zunehmenden Isolation von Eltern entgegenzuwirken, die sich aus der Situation der Familie in der Großstadt ergibt. Geöffnet ist das Zentrum montags bis freitags zwischen 9:00 und 18:00 Uhr. Es finden verschiedene Veranstaltungen und Kurse, auch Kinderfeiern, Flohmärkte und Vorträge statt. Die Kläger als Mitglieder der Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft verlangen von der Beklagten die Unterlassung der Nutzung der Räumlichkeiten als Eltern-Kind-Zentrum. Hilfsweise soll der Beklagte es unterlassen auf einer näher bezeichneten Außenfläche vor der Teileigentumseinheit Kinderwagen und Fahrräder abzustellen und soll durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass die Immissionen in der Wohnung der Kläger einen Pegel von 52 dB (A) nicht überschreiten. Das Landgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben und demnach den Beklagten zur Unterlassung der Nutzung verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten vor dem Oberlandesgericht ist erfolglos geblieben. Der Bundesgerichtshof hat der Revision des Beklagten stattgegeben und die Klage im Hauptantrag abgewiesen, bezüglich der Hilfsanträge hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Oberlandesgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen.

Ein Wohnungseigentümer kann von dem Mieter einer anderen Einheit die Unterlassung fordern, wenn dieser die Einheit anders nutzt als in der Teilungserklärung vorgesehen. Dies gilt aber dann nicht, wenn die tatsächliche Nutzung bei typisierender Betrachtung nicht mehr stört als die erlaubte Nutzung. Der Bundesgerichtshof kommt zu dem Zwischenergebnis, dass die Geräusche, die von einem Eltern-Kind-Zentrum ausgehen, angesichts der dort für gewöhnlich stattfindenden Aktivitäten aber typischerweise lauter und störender als die eines Ladens mit Lager sind. Gleichwohl können die Kläger keine Unterlassung der Nutzung verlangen, da dies auf der Ausstrahlungswirkung des § 22 Abs. 1a S. 1 BImSchG auf das Wohnungseigentumsgesetz beruht. Laut dieser Regelung sind Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen von Kindern hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkungen. Diese Wertung ist auch bei der Prüfung zu beachten, ob eine nach der Teilungserklärung ausgeschlossene Nutzung noch zulässig ist, weil sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung. Dies gilt auch dann, wenn die Teilungserklärung vor dem Inkrafttreten des § 22 Abs. 1a BImSchG errichtet worden ist. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Nutzung der Einheiten als Einrichtung im Sinne des § 22 Abs. 1a BImSchG ausdrücklich oder konkludent ausgeschlossen ist. Das wäre dann der Fall, wenn beispielsweise eine Anlage nach der Teilungserklärung als sogenanntes Ärztehaus konzipiert ist. Denn die Nutzung einer Einheit als Kindertageseinrichtung widerspräche unabhängig von dem Störungspotenzial dem professionellen Charakter einer solchen Anlage. Der Bundesgerichtshof stellt auch klar, dass erhöhter Publikumsverkehr, den eine Kindertageseinrichtung mit sich bringt dazu führt, dass eine Wohneigentumseinheit regelmäßig nicht zu diesem Zweck genutzt werden kann. Nachdem vorliegend eine Teileigentumseinheit als Eltern-Kind-Zentrum genutzt worden ist, war bei typisierender Betrachtung unter Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung des § 22 Abs. 1a S. 1 BImSchG keine größere Störung als bei einem Laden mit Lager zu erwarten, weshalb eine Unterlassung nicht verlangt werden konnte. Der Bundesgerichtshof musste bezüglich der Hilfsanträge den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurückverweisen, da dieses keine Feststellungen zu den behaupteten einzelnen hilfsweise geltend gemachten Störungen getroffen hat. Wenn ein Eltern-Kind-Zentrum zulässig betrieben werden kann, so sind nämlich Unterlassungsansprüche wegen einzelner besonders störender Handlungsweisen nicht ausgeschlossen. Hierzu muss das Oberlandesgericht entsprechende Feststellungen treffen.

Besondere Einrichtungen können demnach einen zusätzlichen Schutz genießen, der Unterlassungsansprüche ausschließen kann. Neu entschieden hat der Bundesgerichtshof, dass die einzelnen Wohnungseigentümer einen direkten Unterlassungsanspruch gegen den Mieter selbst haben.