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Kammergericht Berlin, Beschluss vom 02.12.2019 – 8 U 104/17 – “Begründeter Kautionsrückzahlungsanspruch trotz Beschädigung der Mietsache“


Vermieter sind häufig viel zu sorglos, wenn sie meinen, Ansprüche wegen Beschädigungen der Mietsache seien durch eine Kaution gesichert. Welche fatalen Folgen das haben kann zeigt ein Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 02.12.2019 (8 U 104/17).

Dem Vermieter stehen Ansprüche wegen baulicher Veränderungen der Mietsache zu. Er wähnt sich durch eine Kaution gesichert. Ansprüche wegen Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache unterliegen aber einer kurzen Verjährungsfrist von sechs Monaten, die zu laufen beginnt, wenn der Vermieter den Besitz der Mietsache zurückerhält (§ 548 BGB). Im entschiedenen Fall meinte der Vermieter, seine Schadensersatzansprüche seien durch eine vom Mieter gestellte Kaution gesichert und deshalb blieb er zunächst untätig. Als der Mieter seinen Kautionsrückzahlungsanspruch einklagt erklärt der Vermieter nach Ablauf der Verjährungsfrist von sechs Monaten Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Verschlechterung und Veränderung der Mietsache. Die Klage des Mieters hat Erfolg, ohne dass es darauf ankäme, ob Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache vorlagen. Als der Vermieter die Aufrechnung mit seinen vermeintlichen Schadenersatzansprüchen erklärte war nämlich bereits Verjährung eingetreten. Seine Aufrechnung konnte den Kautionsrückzahlungsanspruch deshalb nicht zu Fall bringen.

Der Vermieter machte geltend, ihm stünde wegen der baulichen Veränderungen ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zu, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keiner Fristsetzung bedarf. Der Vermieter verkennt aber, dass ein Zahlungsanspruch des Vermieters wegen Verletzung seines Integritätsinteresses durch Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs des Mieters voraussetzt, dass der Vermieter statt der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes den dafür erforderlichen Geldbetrag verlangt. Der Schadensersatzanspruch ist nach § 249 Abs. 1 BGB zunächst nicht auf Zahlung, sondern auf Wiederherstellung des Zustandes vor dem Eingriff durch den Schädiger gerichtet. Mit dem Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes kann nicht gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch aufgerechnet werden, weil es an der Gleichartigkeit von Leistung und Gegenleistung im Sinne von § 387 BGB fehlt. Zwar kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 BGB „statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen“. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Fall der sogenannten Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, der einer Ausübung bedarf (BGH NJW 2018, 1746 Tz 26 f.). Anders als bei einer Wahlschuld gemäß § 262 BGB bestehen nicht von vornherein zwei Ansprüche (somit auf Herstellung und auf Zahlung), die lediglich einer Konkretisierung durch Wahlausübung bedürfen, sondern zunächst lediglich der Herstellungsanspruch. Erst mit dem Zahlungsverlangen übt der Geschädigte sein Recht aus, „an Stelle der einen geschuldeten Leistung eine andere mit der Folge zu setzen, dass fortan nur diese letztere Erfüllung ist“ (so BGHZ 5, 105 = NJW 1952, 619, 620). Erst mit Ausübung der Ersetzungsbefugnis, die somit eine Gestaltungserklärung ist, tritt eine Änderung des Schuldverhältnisses ein (so etwa Münchener Kommentar/Krüger, BGB, 8. Aufl., § 263 Rn. 10: „keine Rückwirkung“). Nun hatte der Vermieter bis zum Ablauf der Verjährung keine Ansprüche geltend gemacht und folglich auch seine Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 BGB durch Verlangen der Zahlung von Schadensersatz nicht ausgeübt. Ein etwa bestehender Anspruch war jedenfalls bis zur Aufrechnungserklärung des Vermieters auf Naturalherstellung gerichtet, sodass vor Verjährungseintritt keine Aufrechnungslage bestand. Als der Vermieter Zahlung verlangte war aber bereits Verjährung eingetreten. Zwar kann auch mit einer verjährten Forderung noch Aufrechnung erklärt werden, dies setzt aber voraus, dass sich die Ansprüche vor Eintritt der Verjährung des Schadensersatzanspruchs nach § 548 Abs. 1 BGB aufrechenbar gegenüberstanden (§§ 215, 387 BGB). Dies war aber in dem vom Kammergericht Berlin entschiedenen Fall nicht gegeben, da der Zahlungsanspruch des Vermieters durch Geltendmachung erst nach Eintritt der Verjährung entstanden ist. Somit waren etwaige Ansprüche des Vermieters wegen Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache verjährt und eine Aufrechnung schied aus, da sich der Anspruch des Mieters auf Kautionsrückzahlung und etwaige Schadensersatzansprüche des Vermieters nie in unverjährter Zeit aufrechenbar gegenüberstanden.