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OLG München, Beschluss vom 09.01.2019 – 31 Wx 39/18 – “Befreiter Vorerbe durch den „Wunsch eines langen Lebens“?


Das Gesetz eröffnet dem Erblasser die Möglichkeit, einen Erben als sogenannten Vorerben einzusetzen mit der Folge, dass der Nachlass dann bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses (z. B. dem Tod des Vorerben) einer anderen Person, dem sogenannten Nacherben, zufällt. In diesem Fall kann der Vorerbe nicht frei über den Nachlass verfügen sondern ist an bestimmte gesetzliche Beschränkungen gebunden. U. a. darf er nicht über Grundvermögen verfügen oder Vermögen verschenken. Außerdem kann der Vorerbe dem Nacherben gegenüber zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses verpflichtet sein. Von einigen der Beschränkungen des Vorerben kann der Erblasser diesen nach § 2136 BGB befreien. Das OLG München hatte nunmehr mit Beschluss vom 09.01.2019 – 31 Wx 93/18 – über die Frage zu entscheiden, ob der vom Erblasser im Testament geäußerte Wunsch, dass die zweite Ehefrau noch lange leben möchte, zu einer solchen befreiten Vorerbenstellung führt.

In dem Testament hatte der Erblasser, der aus seiner ersten Ehe zwei Kinder mit in die zweite Ehe gebracht hat, wobei seine zweite Ehefrau ebenfalls bereits einen Sohn aus erster Ehe hatte u. a. folgendes verfügt: „Meine Frau soll Alleinerbin werden. Nach ihrem hoffentlich späten Ableben, soll der Besitz an V. + R. je zur Hälfte übergehen.“ Das Nachlassgericht hat der zweiten Ehefrau einen Erbschein erteilt, der sie als befreite Vorerbin auswies. Diese Entscheidung hat das OLG München nunmehr wieder revidiert und den Erbschein eingezogen. Denn der gesetzliche Regelfall ist die nichtbefreite Vorerbschaft, sodass sich aus dem Testament ggf. im Wege der Auslegung ergeben muss, ob es einen hiervon abweichenden Willen des Erblassers gegeben hat. Dies war vorliegend nicht der Fall, weil insbesondere die bloße Bezeichnung als Alleinerbin nicht ausreicht, um eine Befreiung anzunehmen. Zwar kann eine stillschweigende Befreiung des Vorerben angenommen werden, wenn der Erblasser wegen Fehlens eigener Abkömmlinge entfernte Verwandte als Nacherben eingesetzt hat und der Vorerbe wesentlich zum Erwerb des Vermögens des Erblassers beigetragen hat. Eine solche Situation war aber aus Sicht des OLG nicht gegeben. Denn zum einen hatte der Erblasser mit seiner Tochter jedenfalls eine nahe Angehörige eingesetzt und zum anderen hat die zweite Ehefrau auch keinen wesentlichen Beitrag zum Vermögenserwerb geleistet. Dass der Erblasser seiner zweiten Ehefrau ein „langes Leben“ wünscht sei ebenfalls kein Indiz in die eine oder andere Richtung und demgemäß insbesondere nicht ausreichend eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Befreiung anzunehmen.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass der Erblasser seine Wünsche im Testament genau äußert, insbesondere weil er ja im Erbfall nicht mehr befragt werden kann. Nur so können spätere Streitigkeiten und Auslegungsschwierigkeiten weitestgehend vermieden werden.