Project Description

OLG Rostock, Urteil vom 13.07.2021 – 3 W 80/20 – “Auswirkungen der Ehescheidung auf einen vor der Heirat geschlossenen Erbvertrag“


Mit Urteil vom 13.07.2021 hat sich das OLG Rostock (3 W 80/20) mit der Frage befasst, wie sich eine Ehescheidung auf einen zwischen den Ehegatten vor der Hochzeit geschlossenen Erbvertrag auswirkt. Hintergrund der Entscheidung ist, dass nach § 2077 BGB vermutet wird, dass eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam sein soll, wenn die Ehe vor dem Tod geschieden worden ist. Die Vermutung ist aber keineswegs zwingend, vielmehr kann die Auslegung der letztwilligen Verfügung auch ergeben, dass anderes gewollt ist, nämlich die Erbeinsetzung auch für diesen Fall gelten soll. Im Fall des OLG Rostock haben die später geschiedenen Ehegatten noch vor ihrer Hochzeit einen Erbvertrag errichtet und es gab nun Streit zwischen der Ehefrau und dem Sohn des Erblassers über die Erbfolge.

Das OLG Rostock hat entschieden, dass § 2077 für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht gilt und damit vorliegend nicht anwendbar ist, da die Ehe erst nach Beurkundung des Erbvertrags geschlossen wurde. Der Bundesgerichtshof hat dies zwar in einer Entscheidung aus dem Jahr 1961 noch anders bewertet, das OLG befindet sich damit aber im Einklang mit zahlreichen weiteren Obergerichten (unter anderem OLG Frankfurt, OLG Celle und OLG Schleswig). Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Zusammenleben ohne Trauschein schon seit Langem zur gesellschaftlichen Normalität gehört und sich hieran nicht ohne Weiteres als Regelfall eine Eheschließung anschließen muss. Während die Ehe im Allgemeinen auf eine lebenslange familienrechtliche Bindung ausgelegt ist, wird die nichteheliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau in der Regel ohne rechtliche Bindung und ohne bestimmte Dauer eingegangen. Daher kann einer letztwilligen Verfügung oder einem Erbvertrag bei nichtehelichen Lebenspartnern selbst dann, wenn sie später die Ehe schließen, nicht ohne weiteres die Annahme eines besonderen partnerschaftlichen Bindungswillens unterstellt werden.

Entscheidend ist demgemäß der tatsächliche Willen des Erblassers bei der Errichtung des Testaments oder Abschluss des Erbvertrags. Es ist also zu ermitteln, ob der Erblasser, hätte er die spätere Trennung in Betracht gezogen, in gleicher Weise verfügt hätte. Dabei ist festzustellen, ob sich aus dem Testament/Erbvertrag hierfür ausdrückliche Anhaltspunkte ergeben und soweit dies nicht der Fall ist, der vermutliche Erblasserwille zu ermitteln. In dem vorliegenden Fall kam das OLG Rostock zu dem Ergebnis, dass der Erblasser es auch dann, wenn er die wenige Jahre später erfolgte Trennung vorhergesehen hätte, bei dem Erbvertrag belassen hätte und keine dem § 2077 BGB nachgebildete Klausel in den Erbvertrag aufgenommen hätte, weswegen also die zwischenzeitlich geschiedene Ehefrau testamentarische Erbin ist.

Eine abschließende Klärung der Rechtsfrage durch den BGH steht noch aus, es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass dieser sich der vorherrschenden Auffassung bei den Oberlandesgerichten anschließen wird. Unabhängig hiervon sollten sich Erblasser generell nicht auf die gesetzlichen Vermutungsregelungen verlassen und auch nicht auf die Auslegung letztwilliger Verfügungen durch die Gerichte. Vorliegend hätte eine Regelung durch den Erblasser, zum Beispiel im Rahmen des Scheidungsverfahrens, für die notwendige Klarheit sorgen und den Streit vermeiden können.