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EuGH, Urteil vom 21.10.2020 – 5 C 529/19 – “Ausschluss des Widerrufsrechts bei der Lieferung von Waren nach Kundenspezifikation“


Der EuGH hat mit Urteil vom 21.10.2020 (C-529/19) zu der Frage Stellung genommen, ob dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusteht, wenn er Ware nach Kundenspezifikation bestellt, solange der Unternehmer mit der Herstellung noch nicht begonnen hat. Gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ist das Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge ausgeschlossen, wenn der Verbraucher Waren bestellt, „die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind“ (sog. Ware nach Kundenspezifikation).

Im Streitfall ging es zwar nicht um einen Fernabsatzvertrag sondern um die Bestellung einer Einbauküche auf einer Messe – und damit um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag, für den hinsichtlich des Widerrufsrechts und der Ausnahme hiervon aber dieselben Voraussetzungen wie beim Fernabsatzvertrag gelten. Die Verbraucherin hat den Vertrag nach der Messe widerrufen und sich geweigert, die Küche abzunehmen. Der Hersteller hat Schadensersatzklage eingereicht.

Der EuGH führt zunächst aus, dass schon fraglich ist, ob überhaupt ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vorliegt. Insoweit käme es darauf an, ob der Vertrag an einem Stand auf der gewerblichen Messe geschlossen wurde, denn dieser könnte als Geschäftsraum angesehen werden. Diese Frage konnte der EuGH aber nicht klären, da hierfür das Instanzgericht, nämlich das Amtsgericht Potsdam, zuständig ist. Nur wenn überhaupt ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vorliegt, kann der Verbraucherin ein Widerrufsrecht zustehen.

Zu der maßgeblichen Frage führt der EuGH aus, dass nach dem Wortlaut der Vorschrift nichts darauf hindeutet, dass die Ausnahme vom Widerrufsrecht von irgendeinem Ereignis abhängig ist. Dies ist z.B. bei dem vorzeitigen Erlöschen des Widerrufsrechts bei Dienstleistungen nach vollständiger Leistungserbringung oder bei digitalen Inhalten nach Beginn des Downloads der Fall. Für die nach Kundenspezifikation hergestellte Ware kommt es aber nach dem Gesetzeswortlaut nicht darauf an, ob der Unternehmer mit der Leistung bereits begonnen hat oder nicht. Das Bestehen oder der Ausschluss des Widerrufsrechts sollen auch nicht davon abhängen, wie weit die Vertragserfüllung durch den Unternehmer fortgeschritten ist. Denn über diesen Fortschritt wird der Verbraucher üblicherweise nicht informiert und er hat erst recht keinen Einfluss hierauf.

Für die Frage des Widerrufsrechts bei der Lieferung von Waren nach Kundenspezifikation kommt es demgemäß nicht darauf an, ob die Ware bereits hergestellt ist oder ob der Unternehmer mit seiner Leistung schon begonnen hat. Das Widerrufsrecht ist nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 in jedem Fall ausgeschlossen.