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OLG Hamm, Urteil vom 05.10.2017 – I-18 U 23/15 Anspruch des Mieters auf Ausgleich einer Wertsteigerung des Grundstücks


Das Oberlandesgericht Hamm beschäftigte sich im Urteil vom 05.10.2017 – I-18 U 23/15 – mit der Frage, ob ein Mieter einen Anspruch auf Ausgleich einer Wertsteigerung am Mietgrundstück hat. Der Mieter hatte mit dem ursprünglichen Vermieter einen langjährigen Mietvertrag geschlossen, der in § 9 unter der Überschrift „Benutzung des Mietobjektes“ folgende Bestimmungen enthielt:

          „1. Der Mieter hat das Recht, das Mietobjekt für seine Zwecke herzurichten.

  1. Alle Investitionen in das Gebäude, die der Mieter tätigt, werden, sofern sie wertverbessernd sind, nach Beendigung des Mietvertrages vom Vermieter ausgeglichen. Bewegliche Gegenstände sowie Scheinbestandteile kann der Mieter entfernen. Für bauliche Veränderungen bedarf es der Zustimmung des Vermieters, die nur aus zwingenden Gründen versagt werden kann.“

Auf dem gemieteten Grundstück stand auch ein Turm. Dieser wurde von dem Mieter abgerissen. Der Mieter baute stattdessen einen Ausstellungspavillon. Nach dem Neubau des Ausstellungspavillons trat der Beklagte durch Eigentumserwerb des Grundstücks auf Vermieterseite in den Mietvertrag ein. Nach Beendigung des Mietverhältnisses verklagte der Mieter den neuen Vermieter auf Zahlung von EUR 230.000,00 mit der Begründung, das Grundstück habe wie von dem Architekten des Mieters ermittelt eine Wertverbesserung von mindestens EUR 230.000,00 erfahren.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht Hamm entscheidet, der geltend gemachte Anspruch auf Ausgleich einer durch die Beseitigung des Turms und die Errichtung eines neuen Ausstellungspavillons bewirkten Wertsteigerung in Höhe von EUR 230.000,00 ergebe sich weder aus dem Mietvertrag noch aus einem anderen rechtlichen Grund. Ein derartiger Anspruch findet in dem Mietvertrag keine Grundlage. Die Bestimmung in § 9 des Mietvertrags, nach der alle vom Mieter getätigten „Investitionen in das Gebäude“, sofern diese wertverbessernd sind, nach Beendigung des Mietverhältnisses vom Vermieter ausgeglichen werden sollten, erfasst die hier in Rede stehenden baulichen Veränderungen nicht. Der Abbruch des Turms und die Errichtung eines neuen Verkaufspavillons an seiner Stelle lassen sich nicht als „Investitionen in das Gebäude“, die der Ausgleichsanspruch nach dem Wortlaut der Vertragsbestimmung voraussetzt, verstehen. Der mögliche Wortsinn der Formulierung erstreckt sich hierauf aus der Sicht eines objektiven Empfängers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (§§ 133, 157 BGB) nicht. Investitionen „in ein Gebäude“ sind hiernach z.B. Maßnahmen zu dessen Erhaltung oder Verbesserung, jedenfalls nicht aber die Beseitigung oder die Neuerrichtung eines Gebäudes bzw. Gebäudeteils. Auch der systematische Regelungszusammenhang spricht gegen ein derartige Umgestaltungen einschließendes Verständnis des Begriffs „Investitionen in das Gebäude“. Der Regelung geht eine Bestimmung voraus, nach deren Inhalt der Mieter berechtigt sein sollte, „das Mietobjekt für seine Zwecke herzurichten“. Unter „herrichten“ sind nach allgemeinem Sprachgebrauch vorbereitende Maßnahmen oder Reparaturen zu verstehen, die dazu dienen, eine Sache in einen gebrauchsfähigen Zustand zu bringen. Mit Blick auf das hier in Rede stehende Gewerbeobjekt mögen dekorative Maßnahmen und allenfalls kleinere bauliche Modifikationen erfasst sein, jedoch keine grundlegenden Veränderungen des auf dem Grundstück befindlichen Gebäudebestandes, wie sie von dem Mieter vorgenommen worden sind

Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 539 Abs. 1, 677, 683 S. 1 BGB. Nach den genannten Vorschriften hat der Mieter unter den Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag einen Aufwendungsersatzanspruch. Abgesehen davon, dass der Mieter keinen Aufwendungsersatz, sondern den Ausgleich einer vermeintlich herbeigeführten Wertsteigerung des Mietobjekts begehrt, liegen die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs nicht vor. Dieser setzt Fremdgeschäftsführungswillen des Mieters voraus. Dieser muss – auch – für den Vermieter und um der Sache willen tätig geworden sein. Die Baumaßnahme muss zudem dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Vermieters entsprechen oder von ihm nachträglich genehmigt werden. An das Vorliegen der Voraussetzungen des § 683 BGB sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Fremdgeschäftsführungswille wird nur bei einem objektiv fremden Geschäft vermutet, welches jedoch bei baulichen Veränderungen am Mietobjekt noch nicht daraus folgt, dass die Maßnahme zu einer Wertsteigerung führt. Ist etwa nicht ein mangelhafter Zustand behoben worden, sondern vom Mieter – zumal nach seinen Bedürfnissen und Vorstellungen – eine Verbesserung oder reine Veränderung der Mietsache im Interesse des eigenen Betriebs vorgenommen worden, ist eher von einem neutralen Geschäft auszugehen und liegt ein Fremdgeschäftsführungswille zudem fern. Gegen das Interesse des Vermieters an der Baumaßnahme spricht, wenn ihr Umfang vom Mieter bestimmt werden kann und die Kosten nicht absehbar sind (vgl. etwa KG Berlin, Beschluss vom 13.07.2015 – 8 W 45/15, Rn. 21, juris mwN; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearbeitung 2014, § 539 Rn. 5 ff.). Hiernach hat der Mieter mit den in Rede stehenden Veränderungen am Gebäudebestand kein fremdes Geschäft für den damaligen Vermieter geführt. Der Mieter hat hiermit keine Aufgaben übernommen, die wie etwa die Beseitigung von Mängeln dem Geschäftskreis der damaligen Vermieters zuzuordnen gewesen wären. Der Mieter hat die Baumaßnahmen vielmehr ausschließlich im eigenen Interesse durchgeführt.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der damalige Vermieter oder der Beklagte (der neue Vermieter, der durch Grundstückserwerb kraft Gesetzes in das Mietverhältnis eintrat) die Maßnahmen im Sinne von § 684 S. 2 BGB genehmigt hätten. Die Genehmigung kann ausdrücklich, aber auch schlüssig erteilt werden, etwa wenn der Vermieter ein vom Mieter geschaffenes Ausstattungsmerkmal zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens mit anführt. Grundsätzlich sind an eine stillschweigende Genehmigung hohe Anforderungen zu stellen (Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 12. Aufl., § 539 BGB Rn. 39). Dass der damaligen Vermieter dem Mieter die Maßnahmen gestattet haben möge, genügt für die Annahme einer Genehmigung nicht. In aller Regel bringt der Vermieter mit einer solchen Zustimmung lediglich sein Einverständnis mit der über den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache hinausgehenden Maßnahme des Mieters zum Ausdruck, mehr nicht. Abgesehen hiervon kann die Genehmigung im Sinne von § 684 S. 2 BGB lediglich die Voraussetzungen des § 683 BGB ersetzen, nicht aber ein Eigengeschäft, wie es hier vorgelegen hat, zum Fremdgeschäft im Sinne von § 677 BGB machen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.10.2009 – 24 U 58/09, Rn. 12 juris). Schließlich fehlt es mit Blick auf einen etwaigen Aufwendungsersatzanspruch des Mieters aus §§ 539 Abs. 1, 677, 683 S. 1 BGB an der Passivlegitimation des neuen Vermieters. Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen, entsteht der Anspruch bereits mit der Vornahme der Aufwendungen, so dass er sich gegen denjenigen richtet, der in diesem Augenblick Vermieter ist. Vermieter war zum fraglichen Zeitpunkt noch der ursprüngliche Vermieter. Der Beklagte ist als neuer Mieter aber erst nach den hier in Rede stehenden Baumaßnahmen als Eigentümer des Mietobjekts in das Grundbuch eingetragen worden. Ein späterer Erwerber des Grundstücks ist grundsätzlich nicht passivlegitimiert, es sei denn, die Fälligkeit des Anspruchs ist nach den Abreden der Parteien auf einen späteren Zeitpunkt nach Übergang des Eigentums hinausgeschoben oder der Erwerber bringt den Anspruch erst zur Entstehung, indem er die Aufwendungen genehmigt (§ 684 S. 2 BGB). Für beides besteht hier kein hinreichender Anhalt.

Der Mieter hat auch keinen Anspruch auf Ausgleich einer am Mietgrundstück bewirkten Wertsteigerung aus §§ 951 Abs. 1, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 BGB. Nach den genannten Vorschriften könnte der Mieter allenfalls Ersatz einer durch die Errichtung des neuen Pavillons bewirkten Wertsteigerung verlangen, sofern er das Eigentum hieran nach § 946 BGB infolge der Verbindung mit dem Grundstück verloren hätte. Dies kann unter Berücksichtigung der hier gegebenen Umstände indes nicht angenommen werden. Im Hinblick darauf, dass der Mieter den neuen Pavillon lediglich aufgrund des sich aus dem Mietvertrag ergebenden vorübergehenden Nutzungsrechts auf dem Grundstück errichtet hat, ist dieser gemäß § 95 Abs. 1 S. 1 BGB nicht dessen wesentlicher Bestandteil (§§ 93, 94 BGB) geworden mit der Folge, dass das Eigentum nicht kraft Gesetzes auf den damaligen alten Vermieter und damaligen Eigentümer übergegangen ist. Ob eine Sache zu einem vorübergehenden Zweck mit einem Grundstück verbunden wird, beurteilt sich in erster Linie nach dem Willen des Erbauers, sofern dieser mit dem nach außen in Erscheinung getretenen Sachverhalt in Einklang zu bringen ist. Verbindet wie hier ein Mieter, Pächter oder in ähnlicher Weise schuldrechtlich Berechtigter Sachen mit dem Grund und Boden, so spricht nach feststehender Rechtsprechung regelmäßig eine Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit zu einem vorübergehenden Zweck geschieht. Diese Vermutung ist nicht schon bei einer massiven Bauart des Bauwerks oder bei langer Dauer des Vertrags entkräftet. Von einem auf Dauer mit dem Grundstück verbundenen Bauwerk ist in diesen Fällen vielmehr nur dann auszugehen, wenn sich aus den Vereinbarungen der Parteien oder aus den sonstigen Umständen ergibt, dass der Erbauer bei der Errichtung des Baus den Willen hat, das Bauwerk bei Beendigung des Vertragsverhältnisses in das Eigentum seines Vertragspartners übergehen zu lassen. Daran fehlt es im Zweifel auch, wenn die massive Bauart zur Folge hat, dass der schuldrechtlich Berechtigte das Gebäude nicht entfernen kann, ohne es zu zerstören. Auch dann will er sich im Regelfall vorbehalten, über die von ihm getätigte Investitionen während oder nach Ablauf der Nutzungszeit auf eigene Rechnung zu disponieren (vgl. BGH, Urteil vom 15.05.1998 – V ZR 83/97, Rn. 14 und BGH, Urteil vom 23.09.2016 – V ZR 110/15, Rn. 16, juris). Unabhängig hiervon wäre die Beklagte auch hinsichtlich eines etwaigen Anspruchs aus §§ 951 Abs. 1, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 BGB nicht passivlegitimiert. Der Anspruch richtet sich gegen denjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eingetreten ist, also im Falle des § 946 BGB gegen denjenigen, der zum Zeitpunkt der Vornahme der Verbindung Eigentümer des Grundstücks ist (vgl. Staudinger/Gursky/Wiegand, BGB, Neubearbeitung 2017, § 951 Rn. 25). Eigentümer des Mietobjekts war zu diesem Zeitpunkt aber der ursprüngliche Vermieter.

Der Mieter konnte von der Beklagten auch nicht deshalb Wertausgleich verlangen, weil er den von ihm errichteten Pavillon nach Beendigung des Mietverhältnisses auf dem Mietgrundstück belassen und der Beklagte das Grundstück mit dem Pavillon veräußert hatte. Gemäß § 539 Abs. 2 BGB war der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses lediglich berechtigt, die von ihm eingebrachten Bauten zu entfernen. Duldung der Wegnahme hat der Mieter von dem Vermieter indes zu keinem Zeitpunkt verlangt. Der hierauf gerichtete Anspruch ist verjährt. Die nach § 548 Abs. 2 BGB geltende sechsmonatige Verjährungsfrist war abgelaufen. Sie ist durch die Klage auf Wertersatz nicht gehemmt worden. Der infolge der eingetretenen Verjährung auf Dauer zum Besitz berechtigte Vermieter schuldet dem (früheren, da das Mietverhältnis beendet ist) Mieter weder eine Nutzungsentschädigung noch haftet er ihm auf Schadensersatz oder Bereicherungsausgleich, wenn dessen Eigentum an der zurückgelassenen Einrichtung untergeht, ohne dass es darauf ankommt, ob der Vermieter die Verjährungseinrede erhoben hat. Denn § 539 Abs. 2 BGB regelt die wechselseitigen Ansprüche insoweit abschließend in der Weise, dass der eine Vertragspartner sein Eigentum an der Einrichtung nur durch rechtzeitige Wegnahme erhalten bzw. wieder erlangen kann und der andere die Wegnahme nur zu dulden hat (BGHZ 101, 37 Rn. 32; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 13. Aufl., § 539 BGB Rn. 73).