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BGH, Urteil vom 23.06.2016 – III ZR 308/15 – “Anlagevermittler/Anlageberater zur Aufklärung über Innenprovisionen von über 15 % bei Erwerb einer Eigentumswohnung als Kapitalanlage verpflichtet


Der Kläger erwarb 1992 auf Empfehlung der Beklagten eine Eigentumswohnung für DM 97.020,00 die er vollständig fremdfinanzierte. Da die Mieteinnahmen nicht die prognostizierte Höhe erreichten, wurde das Darlehen gegenüber dem Kläger gekündigt und die Zwangsversteigerung der Wohnung eingeleitet, die einen Erlös von lediglich EUR 7.000,00 erbrachte. Der Kläger behauptet, die Beklagte hätte vom Verkäufer eine Innenprovision erhalten, die bei etwa 15 % des Kaufpreises lag, worauf nicht hingewiesen wurde, so dass die Immobilie allenfalls nur DM 82.000,00 wert war anstatt des bezahlten Kaufpreises. Hätte der Kläger hiervon gewusst, hätte er die Wohnung nicht gekauft. Der Kläger begehrt Schadensersatz und Freistellung von weiteren Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag, den er zur Finanzierung der Eigentumswohnung aufgenommen hat.

Der Kläger hat vor dem Bundesgerichtshof Erfolg. Der Bundesgerichtshof stellt zunächst fest, dass ein Anlagevermittler oder ein Anlageberater den Erwerber einer von ihm vermittelten Anlage unaufgefordert über Vertriebsprovisionen aufzuklären hat, wenn diese 15 % des von den Anliegern einzubringen Kapitals übersteigen. Begründet wird dies damit, dass Vertriebsprovisionen in dieser Höhe Rückschlüsse auf eine geringe Werthaltigkeit und Rentabilität der Kapitalanlage eröffnen. Dies stellt einen für die Kapitalanlageentscheidung wesentlichen Umstand dar über welchen der Anlageinteressent informiert werden muss. Das gilt unabhängig davon, welche Art der Kapitalanlage vermittelt wird. Insbesondere gilt dies für eine Kapitalanlage in Form einer Eigentumswohnung. Denn auch bei solchen Eigentumswohnungen lassen Vertriebsprovisionen von über 15 % auf eine geringere Werthaltigkeit schließen. Hierüber muss der Anlageinteressent aufgeklärt werden.

Der Verkäufer einer Immobilie ist zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, den Interessenten über die Zahlung einer Innenprovisionen an den von ihm beauftragten Vertrieb aufzuklären, wenn das Objekt nicht mittels eines Prospektes vertrieben wird, sondern durch mündliche Beratung anhand eines konkreten Berechnungsbeispiels. Die Erwägungen, die zu dieser Sicht führen gelten aber nicht für die Aufklärungspflicht des Anlageberaters oder Anlagevermittlers. Denn der Käufer einer Immobilie hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, das Objekt zu dessen Verkehrswert zu kaufen, so dass für den Verkäufer keine Pflicht zur Offenlegung über den Wert des Kaufobjektes besteht, dies selbst dann nicht, wenn dieser erheblich unter dem geforderten Preis liegt. Die Pflichten eines Anlagevermittlers oder Anlageberaters aus dem Vertragsverhältnis mit dem Anlageinteressenten unterscheiden sich aber von den Pflichten eines Verkäufers gegenüber dem Käufer. Anlagevermittler/Anlageberater sind nämlich keine Vertragspartner des Kaufvertrages. Vielmehr ergeben sich die Verpflichtungen des Anlageberaters/Anlagevermittlers gegenüber dem Anleger aus dem zwischen diesen bestehendem Vertragsverhältnis. Hieraus folgt, dass dem Anleger eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände zu erteilen ist, die für dessen Anlageentscheidung von besonderer Bedeutung sind. Die Werthaltigkeit des Anlageobjektes ist für die Anleger von besonderer Bedeutung, so dass über die Umstände wie die Innenprovision von über 15 %, die einen Einfluss auf die Werthaltigkeit und Rentabilität der Anlage eröffnen, aufzuklären ist.

Es kommt dabei auch nicht darauf an, ob die Anlage mittels eines Prospektes vertrieben wurde. Denn der Anlageberater bzw. Anlagevermittler ist stets zur richtigen und vollständigen Information über diejenigen tatsächlichen Umstände verpflichtet, die für die Anlageentscheidung von besonderer Bedeutung sind. Er kann sich zur Aufklärung zwar Prospekten bedienen, muss es aber nicht.

Damit durfte das Berufungsgericht eine Pflichtverletzung nicht mit der Begründung ablehnen, dass vorliegend eine Eigentumswohnung ohne Prospekt vermittelt wurde. Als rechtsfehlerhaft beanstandet der Bundesgerichtshof auch, dass kein Beweis darüber erhoben wurde, obwohl der Kläger einen solchen Beweis für seinen Vortrag, dass 20 % des Kaufpreises an Innenprovisionen bezahlt worden sind, angetreten hat. Das Berufungsgericht hat nämlich zu Unrecht den Vortrag und Beweisangebot als „ins Blaue hinein“ dargestellt. Die Ablehnung eines Beweises ist nur zulässig, wenn die Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann oder wenn sie ins Blaue hinein aufgestellt worden und demnach aus der Luft gegriffen sind. Beides trifft aber nicht zu. Denn der Kläger hat konkret vorgetragen, dass die Zahlung einer Innenprovision i.H.v. 20 % des Kaufpreises durch die Verkäufer an die Beklagte bezahlt worden ist und dies unter Zeugenbeweis gestellt. Weiter hat er vorgetragen dass der Vertriebsmitarbeiter der Beklagten die Höhe der Innenprovision durch Rückrechnung der ihm persönlich zugeflossen Provision bestätigt hat. Hieraus wird deutlich, dass es sich um keine Behauptung ins Blaue hinein handelt. Weiterer Vortrag und weitere Plausibilisierung von Behauptungen sind zur Substantiierung nicht erforderlich. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, als der Kläger keine weiteren Umstände vorbringen könnte, nachdem die Höhe der Innenprovision eine im Kenntnisbereich der Beklagten und nicht des Klägers liegende Tatsache ist. Im Ergebnis hat damit das Berufungsgericht die Substantiierungsanforderungen überspannt und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen.

Nachdem die Beweisaufnahme demnach nachzuholen war, hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.