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Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 31.08.2022, 4 U 74/22 – „Achtung bei Kranarbeiten“
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat – schon vor einiger Zeit – ein für viele Baumaßnahmen, vor allem im bebauten Innenstadtbereich sehr bedeutsames Urteil gesprochen. Was ist geschehen:
Im Rahmen einer Baumaßnahme hat der aufgestellte Baukran seine Bewegungen nicht nur oberhalb des dem Bauherrn gehörenden Grundstücks sondern auch über den Nachbargrundstücken durchgeführt. Der Bauherr hatte den Nachbarn nicht um Zustimmung gebeten, dieser verlangte gerichtlich die Unterlassung des Einschwenkens des Baukrans in den Luftraum über seinem Grundstück. Er hat vom Oberlandesgericht Stuttgart Recht bekommen!
Das Oberlandesgericht begründet die Untersagung der Kranbenutzung im Bereich über dem fremden Grundstück mit dem Gedanken, dass es sich dabei um eine sogenannte verbotene Eigenmacht also einen widerrechtlichen Angriff auf den Besitz des Nachbarn handele, dessen Unterlassung gemäß §§ 858 Abs. 1, 1004 BGB verlangt werden könne.
Der Bauherr hatte sich darauf berufen, dass das Überschwenken des Grundstücks im Rahmen des sogenannten Hammerschlags- und Leiterrechts nach § 7d NachbG Baden-Württemberg zu gestatten sei. Die dortigen Vorgaben hat er aber nicht eingehalten. Selbst wenn er die Vorgaben (rechtzeitige Anzeige 2 Wochen vor Beginn der Benutzung) eingehalten hätte, ergibt sich daraus noch keine Berechtigung, den Kran dann auch über dem Nachbargrundstück schwenken zu lassen, da der Nachbar zustimmen muss. Erteilt er diese Zustimmung nicht, muss er gegebenenfalls gerichtlich auf Zustimmung in Anspruch genommen werden.
Was sind die Alternativen?
Wer den Kran einfach aufstellt und schwenken lässt, läuft Gefahr, dass ihm das Gericht dieses Tun verbietet und die Baustelle steht, mit sehr schwerwiegenden, vorstellbaren Folgen für Bauzeit und -kosten.
Es wird sich auch die Frage stellen, wer von den am Bau Beteiligten (Bauherr/Architekt/Unternehmer) die negativen Folgen zu tragen hat. Zwar wird man wohl vertreten können, dass der Bauherr das Grundstück so zur Verfügung stellen muss, dass auf ihm gebaut werden kann und da könnte auch die Einholung der Zustimmung zum Schwenken des Kranes über das Nachbargrundstück dazugehören, aber sicherlich nur dann, wenn der Bauherr davon überhaupt Kenntnis hat. Welcher Bauherr weiß im Zweifel im Vorhinein, wo der Unternehmer seinen Kran aufstellt, welche Grundstücksnachbarn vom Schwenkbereich des Kranes betroffen sein werden, oder dass ein Kran, der nicht bedient wird, eine sogenannte Windfreistellung benötigt, sich also mit dem Wind drehen können muss, damit er nicht umkippt und auch dabei über dem Nachbargrundstück sich bewegen kann.
Durch diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart ist eine gewisse Brisanz insbesondere in das Bauen in innerstädtischen Lagen mit gegebenenfalls mehreren Nachbarn gekommen.