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BGH, Urteil vom 30.01.2019 – XII ZR 46/18 – “Abrechnung von Heizkosten in der Gewerberaummiete


Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist in den letzten Jahren mehrfach mit außerordentlich vermieterfreundlichen Entscheidungen aufgefallen. In einem ersten Fall zeigte der Bundesgerichtshof dem „kreativen“ Oberlandesgericht die „Rote Karte“. Es ist sehr zu hoffen, dass noch weitere Zurechtweisungen erfolgen und die irrlichternden Entscheidungen aus Frankfurt ein Ende finden.

Die Parteien eines gewerblichen Mietverhältnisses über eine Praxisfläche für eine chirurgische Gemeinschaftspraxis stritten sich über die Abrechnung von Heizkosten. Hinsichtlich der Betriebskosten regelte § 6 Ziff. 2 S. 1 des Mietvertrags, dass der Vermieter „über die Betriebskosten im Sinne von § 27 II BV unter Berücksichtigung der geleisteten Vorauszahlungen jährlich“ abrechnet. In § 6 Ziff. 3 des Mietvertrags hieß es:

„Der Mieter trägt von den Betriebskosten einen Anteil nach dem Verhältnis der Nutzflächen seiner Praxis- bzw. Gewerberäume zur Summe der Nutzflächen aller Praxis- und Gewerberäume der Wirtschaftseinheit. Zubehörräume wie Keller, Abstellräume außerhalb der Praxis- und Gewerberäume, Dachböden, Trockenräume bleiben dabei unberücksichtigt.

Die Ermittlung/Verteilung der Heiz- und Warmwasserkosten/Kaltwasserkosten erfolgt durch messtechnische Ausstattungen zur Verbrauchserfassung nach dem von der G. K. GmbH & Co. KG gemäß §§ 7 und 10 der Heizkostenverordnung bestimmten Abrechnungsmaßstab.“

In § 6 Ziff. 4 des Mietvertrags ist geregelt:

„Der Vermieter wird die Mietfläche mit zugelassenen geeichten Messeinrichtungen/Abrechnungsmaßstab gemäß §§ 7 und 10 der Heizkosten VO-Bestimmungen … ausstatten.“

Strittig war die verbrauchsunabhängig umgelegte Position „Heizung über Lüftung“. Unklar war, ob es sich bei der vom Vermieter verwendeten Lüftungsanlage hinsichtlich der Heizfunktion um eine reine Lüftungsheizung handelte oder ob diese zugleich mit einer Anlage zur Wärmerückgewinnung ausgestattet sei. Der Vermieter hatte die Kosten der Lüftungsheizung nach Fläche umgelegt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main meinte, die Kosten der Lüftungsheizung seien vollständig umlegbar. Bei den vom Vermieter geltend gemachten Kosten „Heizung über Lüftung“ handle es sich um Kosten des Betriebs der zentralen Heizanlage, die als umlagefähig vereinbart worden seien. Ausweislich der mietvertraglichen Regelung hätten die Parteien die Umlage der in der Anlage 3 zu § 27 II. Berechnungsverordnung wiedergegebenen Betriebskosten wirksam vereinbart. Zwar sei unklar, ob es sich bei der vom Vermieter verwendeten Lüftungsanlage hinsichtlich der Heizfunktion um eine reine Lüftungsheizung handle oder ob diese zugleich mit einer Anlage zur Wärmerückgewinnung ausgestattet ist. Allerdings sei diese Unterscheidung bezüglich der unter die Position „Heizung über Lüftung“ fallenden Heizkosten nicht relevant, da diese über die Lüftungsanlage erfolgte Beheizung Teil der Gesamtbeheizung durch die Heizungsanlage des Gebäudes sei. Die Abrechnung sei auch nicht deshalb zu beanstanden, weil der Vermieter die Kosten der Lüftungsheizung nach Fläche umgelegt habe. Eine Verbrauchserfassung sei insoweit nach §§ 1, 11 Abs. 1 Nr. 1 b Heizkostenverordnung nicht erforderlich, weil die Ausstattung einer Lüftungsheizung mit Erfassungsgeräten zur individuellen Verbrauchserfassung jedenfalls dann mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei, wenn diese – wie hier – eine Regulierungsfunktion nicht enthalte. Da die Heizungslüftung lediglich eine Mindesttemperatur von 18° erzeuge, bestehe auch kein Bedarf für eine Verbrauchserfassung. Dem stehe auch die vertragliche Regelung des § 6 Ziff. 3 des Mietvertrags nicht entgegen. Denn diese Klausel sei vernünftigerweise so zu verstehen, dass eine Erfassung der Heizkosten nur dort erfolgt, wo diese wegen der Möglichkeit einer Nutzungssteuerung zur Inanspruchnahme der Wärme sinnvoll ist. Sie findet daher auf eine Lüftungsheizung keine Anwendung. Der Vermieter könne die Kosten aber auch insoweit umlegen, als diese aus der Verwendung einer Wärmerückgewinnungsanlage resultieren würden. Mit dem Betrieb einer Wärmerückgewinnungsanlage erbringe der Vermieter zwei unterschiedliche Leistungen, nämlich einerseits die ausreichende Wärmeversorgung und andererseits die ausreichende Belüftung der Mietsache. Die Umlagefähigkeit der dadurch entstehenden Kosten richte sich nach § 7 Abs. 2 HeizkostenV, wobei es einer besonderen Ausweisung in der Abrechnung nicht bedürfe. Die Umlagefähigkeit laufender Kosten, die aus energiesparenden Maßnahmen resultierten, werde unionsrechtlich forciert. Eine Auslegung des § 7 Abs. 2 HeizkostenV dahingehend, dass der Betriebsstrom einer Wärmerückgewinnungsanlage umlagefähig sei, sei daher geboten.

Der Bundesgerichtshof teilt die eigenwillige Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts nicht. Zwar ist die Überprüfung der Auslegung von Individualvereinbarungen durch den Bundesgerichtshof nur sehr eingeschränkt zulässig. Denn der Bundesgerichtshof kann nur prüfen, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche Auslegungsregeln oder allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht. Trotz dieser sehr eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit kommt der Bundesgerichtshof zum Ergebnis, dass unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze die vom Oberlandesgericht vorgenommene Auslegung des § 6 Ziff. 3 des Mietvertrags in revisionsrechtlich beachtlicher Weise rechtsfehlerhaft ist. Das Oberlandesgericht hat grundlegend gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze verstoßen, weil es den Wortlaut des Mietvertrags nicht ausreichend berücksichtigt, den Grundsatz einer beiderseits interessengerechten Auslegung missachtet und die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung verkannt hat. Die Auslegung des Oberlandesgerichts, dass die Parteien die als „Heizung über Lüftung“ verbrauchsunabhängig geltend gemachten Kosten als umlagefähig vereinbart hätten, und zwar unabhängig davon, ob diese Kosten für reine Lüftungsheizung oder auch für Wärmerückgewinnung anfallen, berücksichtigt den Wortlaut des § 6 Ziff. 3 des Mietvertrags nicht ausreichend. Denn dort findet die vom Oberlandesgericht angenommene Auslegung keine hinreichende Stütze. Die Parteien haben vereinbart, dass die Ermittlung und Verteilung der Heizkosten durch messtechnische Ausstattungen zur Verbrauchserfassung erfolgen. § 10 HeizkostenV lässt rechtsgeschäftliche Bestimmungen des Abrechnungsmaßstabs zu, die eine Überschreitung der in §§ 7, 8 HeizkostenV vorgesehenen Höchstsätze für den verbrauchsabhängigen Anteil vorsehen. Bei Gewerberaummieten können daher mietvertraglich auch rein verbrauchsabhängige Kostenverteilungen vereinbart werden (vgl. OLG Düsseldorf WuM 2003, 387, 388). In § 6 Ziff. 3 des Mietvertrags finden sich keine Hinweise darauf, dass auch verbrauchsunabhängige Heizkosten geschuldet sein sollten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes einer beiderseits interessengerechten Auslegung. Vielmehr sind die Belange des Vermieters gewahrt, weil für ihn bereits bei Vertragsschluss kein Zweifel daran bestehen konnte, dass verbrauchsunabhängige Heizkosten nicht umgelegt werden können, während die Interessen des Mieters sich auf eine neutrale Überprüfbarkeit der Heizkosten durch Messeinrichtungen richtete. Der Bundesgerichtshof folgt dem Oberlandesgericht auch nicht, soweit das Oberlandesgericht ein anderes Ergebnis im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung herleiten will. Das Oberlandesgericht verkennt insoweit, dass eine ergänzende Vertragsauslegung nur bei einem Vertrag in Betracht kommt, der wegen einer planwidrigen Unvollständigkeit eine Regelungslücke aufweist (BGH WM 2014, 2280 Rn. 70 m.w.N. und BGH NJW 2012, 844 Rn. 24 m.w.N.). Tatsächlich fehlt es hier aber an einer für eine ergänzende Vertragsauslegung notwendigen Regelungslücke. Denn die Parteien brauchten für die Umlagefähigkeit verbrauchsunabhängiger Heizkosten keine Regelung zu treffen, weil nach dem Inhalt des Vertrags ausschließlich verbrauchsabhängige Heizkosten umgelegt werden sollten. Somit sind verbrauchsunabhängige Heizkosten nach der ausdrücklichen Regelung in § 6 Ziff. 3 des Mietvertrags nicht umlagefähig. Ob es sich insoweit um Kosten für reine Lüftungsheizung oder Wärmerückgewinnung handelt, kann dabei dahinstehen.