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BGH, Urteil vom 24.04.2019 – VIII ZR 82/18 – “Zur ortsüblichen Vergleichsmiete


Wenn ein Sachverständiger im Mieterhöhungsprozess eine breite Streuung der Miethöhe von Vergleichswohnungen feststellt, darf das Gericht nicht ohne Weiteres den höchsten Wert als ortsübliche Vergleichsmiete ansetzen, da die Miethöhe von Vergleichswohnungen sehr unterschiedlich ist.

Die bisherige Miete für eine 54 Quadratmeter große Wohnung lag bei EUR 310,50. Die Vermieterin benannte drei Vergleichswohnungen und verlangte, der Erhöhung der Miete auf EUR 352,08 zuzustimmen. Dies entspricht 6,52 EUR/m². Die Mieterin erklärte die Zustimmung zur Mieterhöhung lediglich auf EUR 324,00. Mit ihrer Klage verlangt die Vermieterin die Zustimmung zur begehrten Miethöhe von EUR 6,52 je m².

Der gerichtliche Sachverständige hat für 16 Vergleichswohnungen eine Mietpreisspanne von EUR 4,58 bis EUR 7,08 je m² ermittelt. Die ortsübliche Vergleichsmiete wurde auf dieser Grundlage auf EUR 5,80 (gerundeter arithmetischer Mittelwert der vom Sachverständigen ermittelten Mietpreisspanne) geschätzt und das Zustimmungsverlangen der Vermieterin zurückgewiesen. Die Vermieterin ist der Ansicht, sie könne eine Mieterhöhung auf EUR 6,52 je m² schon deshalb verlangen, weil dieser Wert innerhalb der vom Sachverständigen ermittelten Spanne liege und ein Vermieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung bis zur oberen Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete beanspruchen könne. Der BGH ist anderer Ansicht. Zwar handelt es sich bei der ortsüblichen, durch einen Sachverständigen ermittelten Vergleichsmiete nicht zwingend um einen punktgenauen Wert, sondern dieser kann sich innerhalb einer kleinen Bandbreite bewegen. In einem solchen Fall kann eine Mieterhöhung anhand des oberen Wertes der Bandbreite gerechtfertigt sein. Als Beispiel nennt der BGH einen früher entschiedenen Fall, in dem die Bandbreite der Vergleichsmieten EUR 0,24 je m² betrug.

Kommt ein Sachverständiger hingegen wie hier bei einem Vergleich der zur Beurteilung stehenden Wohnung mit ähnlichen Wohnungen zu einer großen Streubreite der gezahlten Mieten, kann nicht ohne Weiteres der obere Wert der Bandbreite als ortsübliche Vergleichsmiete zugrunde gelegt werden. Stets müssen zunächst qualitative Unterschiede der Vergleichswohnungen zu der zu beurteilenden Wohnung berücksichtigt werden, um die Vergleichbarkeit herzustellen, etwa durch Zu- und Abschläge oder ein Punktesystem. Soweit sich danach auch nach der Berücksichtigung der Qualitätsunterschiede noch eine breite Marktstreuung ergibt, darf die ortsübliche Einzelvergleichsmiete nicht mit dem oberen Wert der Streubreite gleichgesetzt werden. Denn es ist nicht sachgerecht, eine breite Marktstreuung, die nicht auf den gesetzlichen Wohnwertmerkmalen beruht, einseitig dem Vermieter zu Gute kommen zu lassen. Sonst könnte der Vermieter, von „Ausreißermieten“ abgesehen, jeweils das höchste Entgelt fordern, das zu zahlen sich einer der Mieter der Vergleichswohnungen bereitgefunden hat. Eine derartige „Spitzenmiete“ repräsentiert jedoch nicht die ortsübliche Vergleichsmiete.

Vielmehr ist die Vergleichsmiete, die der Vermieter beanspruchen kann, innerhalb des festgestellten Rahmens zu ermitteln. Dabei sind je nach Einzelfall verschiedene Ansätze denkbar. Wenn keine Besonderheiten bei der Verteilung der Vergleichsmieten feststellbar sind, kann es gerechtfertigt sein, den arithmetischen Durchschnittswert anzusetzen. Kommt es hingegen zu einer auffälligen Häufung der Vergleichsmieten um einen kleinen Wert herum, kann die dadurch repräsentierte kleine Bandbreite die ortsübliche Vergleichsmiete darstellen, sodass der Vermieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung bis zum höchsten Wert dieser kleinen Bandbreite verlangen kann. Der BGH hat den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil er das Sachverständigengutachten für mangelhaft hielt und dieses ergänzt werden muss.