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BGH, Urteil vom 18.11.2016 – V ZR 221/15 – “Zur Entziehung des Wohnungseigentums


Die Beklagte zu 1, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, ist Mitglied der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft, die Beklagten zu 2 und 3 sind ihre Gesellschafter. Die Wohnung der Beklagten zu 1 stand ursprünglich im Eigentum der Eheleute L. Die Eheleute L. waren wegen Beleidigungen, Bedrohungen und einer Körperverletzung zum Nachteil eines Wohnungseigentümers sowie eines gewaltsamen Auftretens gegenüber einem Gartenbauunternehmer zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums nach § 18 WEG verurteilt worden. In dem von der Wohnungseigentümergemeinschaft eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahren war der Beklagten zu 1 im September 2013 der Zuschlag erteilt worden. Die Eheleute L. wohnen aber weiter in der Wohnung. Mit ihrer Klage hat die Wohnungseigentümergemeinschaft beantragt, die Beklagten zu verurteilen, dafür Sorge zu tragen, dass die Eheleute L. die Wohnungseigentumseinheit nicht mehr betreten und in sonstige Weise nutzen. Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die Beklagten haben Berufung eingelegt. Auf einen Hinweis des Landgerichtes hat die Klägerin hilfsweise beantragt, die Beklagten zu verurteilen, ein etwaiges bestehendes Nutzungsverhältnis mit den Eheleuten L. unverzüglich zu beenden und diesen den Besitz an der Wohnung zu entziehen. Das Landgericht hat diesem Hilfsantrag stattgegeben. Die Beklagten erstreben mit der Revision weiterhin eine Klagabweisung. Der Bundesgerichtshof hält die Klage gegen die Beklagte zu 1 für begründet, weist aber die Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 ab. Gegen die Beklagte zu 1 ergibt sich ein Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 3 WEG. Nach § 14 Nr. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümern über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Ein in diesem Sinne nachteilig betroffener Wohnungseigentümer kann nach § 15 Abs. 3 WEG die Unterlassung oder Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Auch kann die Klägerin als Wohnungseigentümergemeinschaft im eigenen Namen diesen Unterlassungsanspruch verfolgen, weil sie diesen durch die übrigen Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss an sich gezogen hat. Die Beklagte zu 1 verstößt gegen diese Verpflichtung aus § 14 Nr. 1 WEG, wenn sie die Nutzung durch die Eheleute L. nicht beendet sondern ihnen den Besitz an dem Sondereigentum weiter überlässt. Aus dem Entziehungsurteil nach § 18 Abs. 1 WEG ergibt sich, dass sich die früheren Eigentümer gemeinschaftsschädigend verhalten und den Gemeinschaftsfrieden gestört haben. Ist einem Wohnungseigentümer das Wohnungseigentum nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG entzogen worden, steht durch dieses Urteil fest, dass ein Verbleib in der Wohnung den übrigen Wohnungseigentümern unzumutbar ist. Die Folge davon ist, dass der Ersteher einer Eigentumswohnung die Pflicht seinerseits nach § 14 Nr. 1 WEG verletzt, wenn er die Nutzung durch den früheren Wohnungseigentümer, dem das Wohnungseigentum entzogen worden ist, nicht beendet. Denn dadurch werden die übrigen Wohnungseigentümer gezwungen, die Hausgemeinschaft mit den früheren Wohnungseigentümern fortzusetzen, obwohl ihnen dieses gerade nicht zugemutet werden kann. Die Wirkungen des Entziehungsurteils werden unterlaufen. Es kommt auch nicht darauf an, ob es zeitlich nach dem Entziehungsurteil zu weiteren Störungen des Hausfriedens durch den früheren Wohnungseigentümer gekommen ist. Auch ist die Beklagte zu 1 unabhängig von einer etwaigen vertraglichen Verbindung mit den Eheleuten L. in der Lage, die Störung zu beseitigen. Die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer werden dadurch, dass der in Anspruch genommene Wohnungseigentümer mietvertraglich gebunden ist, weder erweitert, noch beschränkt. Der in Anspruch genommene Wohnungseigentümer muss vielmehr alles in seiner Macht stehende unternehmen, damit sein Mieter einem berechtigten Unterlassungsbegehren der anderen Eigentümer Folge leistet. Der Anspruch ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass gegen die Beklagte zu 1 das Entziehungsverfahren nach § 18 WEG eingeleitet werden könnte. Die Entziehungsklage ist als letztes Mittel zur Wiederherstellung des Gemeinschaftsfriedens gegenüber den Störenfrieden zu verstehen. Die Wohnungseigentümer haben zunächst möglichst mildere Maßnahmen zu ergreifen, um Pflichtverletzungen zu unterbinden. Hierzu zählt die Abmahnung, durch die der Wohnungseigentümer zur Einhaltung seiner Pflichten angehalten werden soll. Auch stellt es ein milderes Mittel dar, wenn die Wohnungseigentümer eine darauf gerichtete Unterlassungsklage erheben. Daher erfolgte die Verurteilung der Beklagten zu 1 zu Recht.

Die Verurteilung der Beklagten zu 2 und 3 als Gesellschafter der Beklagten zu 1 ist aber zu beanstanden, da diese nicht die richtigen Beklagten sind. Denn eine Unterlassungsverpflichtung folgt nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 128 HGB analog. Diese Vorschrift besagt, dass die die Gesellschaft treffenden Verpflichtungen auf die einzelnen Gesellschafter durchschlagen und von diesen zu erfüllen sind. Das trifft aber auf Verpflichtungen zur Unterlassung nicht zu. Denn die Unterlassung durch einen Gesellschafter hat zwangsläufig einen anderen Inhalt als diejenige der Gesellschaft. Deshalb gibt es keine deckungsgleiche Verpflichtung der Gesellschafter und der Gesellschaft. Somit besteht gegen die Beklagten zu 2 und 3 als Gesellschafter kein Unterlassungsanspruch. Direkte Ansprüche gegen die Beklagten zu 2 und 3 bestehen ebenfalls nicht, da diese nicht Wohnungseigentümer sind. Auch ein Unterlassungsanspruch ist aus einer direkten Anwendung aus § 1004 BGB nicht begründet. Denn die Überlassung des Besitzes an einer Wohnung ist für sich genommen noch keine Störung des Eigentums der übrigen Wohnungseigentümer.