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BGH, Urteil vom 17.06.2016 – V ZR 134/15 – “Zu Verpflichtungen des Verkäufers bei Erwerb einer Eigentumswohnung als Kapitalanlage


Der Kläger und seine Frau kauften von der Beklagten im Jahr 2008 eine Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von EUR 117.519,00. Die Beklagte hatte mit der die Wohnanlage aufteilenden Eigentümerin eine Vereinbarung über die Veräußerung der Wohnungen getroffen und eine GmbH mit dem Vertrieb beauftragt. Ein Finanzberater der GmbH, den der Kläger kennengelernt hat, empfahl die Wohnung als Anlageobjekt und vermittelte dem Kläger ein Annuitätendarlehen über einen Nominalbetrag von EUR 118.710,00. Der Kläger macht unter anderem als Beratungsfehler geltend, dass er unrichtig über die Höhe der monatlichen Zuzahlung, nämlich der Differenz zwischen den Finanzierungsausgaben und den Mieteinnahmen aufgeklärt worden sei.

Der Kläger verlangt aus eigenem und abgetretenem Recht Schadensersatz und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere Vermögensschäden. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hebt dieses Urteil auf und verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück. Denn das Berufungsgericht hat zunächst rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Pflichtverstoß verjährt sei. Die kenntnisabhängige regelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Nach diesen Maßstäben ist es unrichtig, dass diese Kenntnisse bereits im Jahr 2008 vorlagen. Zwar wusste der Kläger schon im Jahr 2008, dass die Differenz zwischen den Finanzierungsausgaben und den Mietausschüttungen nicht wie im Rahmen der Beratung errechnet EUR 168,00 sondern EUR 255,38 betrug. Doch dies stellt noch kein Wissen und damit keine Kenntnis von einer fehlerhaften Beratung in diesem Punkt dar. Denn die Ursachen für die höheren monatlichen Zahlungen können vielfältiger Natur sein und brauchen nicht notwendigerweise auf Beratungsfehler zurückzuführen sein. Sie können auch auf Zahlungsverzug des Mieters oder einer Mietminderung wegen eines neu aufgetretenen Mangels beruhen. Auch kann ein Auseinanderfallen von versprochener und erzielter Miete von einer unvorhergesehenen schlechten Entwicklung des Mietpools infolge unerwartet hoher Leerstände nach Vertragsschluss beruhen. Von einer solchen Kenntnis, die zum Beginn der Verjährung führt, kann daher nur dann ausgegangen werden, wenn der Käufer nachvollziehen kann, worauf die höhere Zahlung zurückzuführen ist. Das ist regelmäßig erst nach Erhalt der Jahresabrechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. des Mietpools möglich.

Rechtsfehlerhaft hat das Oberlandesgericht einen Schadensersatzanspruch auch deshalb verneint, nachdem der Kläger vorgetragen hat, ihm sei eine Wiederverkaufsmöglichkeit der Wohnung nach 10 Jahren mit einem Gewinn von EUR 23.000,00 in Aussicht gestellt worden. Denn der Beratungsvertrag verpflichtet den Verkäufer zu richtiger und vollständiger Information über die tatsächlichen Umstände, die für den Kaufentschluss des Interessenten von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können. Wenn als Kaufanreiz die wirtschaftliche Rentabilität des Erwerbs herausgestellt wird, muss der Käufer auch über die hierfür bedeutsamen tatsächlichen Umstände richtig und vollständig informiert werden. Beratungspflichten werden verletzt, wenn ein in tatsächlicher Hinsicht unzutreffendes, ein zu positives Bild der Ertragserwartung der Immobilie gegeben wird und dies den Interessenten zum Vertragsschluss veranlasst. Demnach muss darüber aufgeklärt werden, wenn ein gewinnbringender Verkauf der Wohnung nach dem in dem Beratungsgespräch angegebenen Zeitraum wegen eines überhöhten Erwerbspreises von vornherein ausgeschlossen ist oder gänzlich unwahrscheinlich erscheint.

Ist der dargestellte gewinnbringende Verkauf einer Wohnung nach 10 Jahren wegen eines überhöhten Erwerbspreises von vornherein ausgeschlossen oder unwahrscheinlich hat der Verkäufer falsche Vorstellungen über die Werthaltigkeit Immobilie geweckt. Er verletzt seine Verpflichtungen, über alle Umstände aufzuklären, die für eine von ihm als Kaufanreiz ausgestellte Rentabilität des Erwerbs von Bedeutung sind oder sein können.

Der Bundesgerichtshof stellt auch klar, dass den Verkäufer auch eine Beratungspflicht über den bei Annuitätendarlehen permanent abnehmenden Steuerspareffekt getroffen hatte. Wenn Gegenstand der Beratungspflichten des Verkäufers eine Immobilie zu Anlagezwecken ist, ist die Ermittlung des Eigenaufwands das Kernstück der Beratung. Die Beratung soll den Käufer von der Möglichkeit überzeugen, mit seinen finanziellen Mitteln das Objekt zu erwerben und zu halten. Wenn bei der Beratung auf Steuervorteile hingewiesen wird, müssen die Voraussetzungen für deren Eintritt zutreffend dargestellt werden. Wenn die staatlichen Vergünstigungen mit der Folge entfallen, dass sie die Belastung des Käufers erhöhen, muss darüber aufgeklärt werden. Wird demnach eine langfristige Finanzierung mit damit einhergehenden Steuervorteilen und zugleich ein Annuitätendarlehen vorgeschlagen, muss über eintretende negative Auswirkungen des sich Jahr für Jahr verringernden Zinsanteils der Darlehensraten auf den Steuervorteil aufgeklärt werden.