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OLG Saarbrücken, Beschluss vom 12.12.2017 – 5 W 53/17 Zu den Voraussetzungen einer Pflichtteilsentziehung


Die Enterbung von Kindern oder sonstigen gesetzlichen Erben ist ohne Weiteres durch ein Testament möglich. Dann bleibt den Abkömmlingen und gegebenenfalls auch Eltern sowie Ehegatten aber zumindest der Pflichtteil in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Dieser Pflichtteil kann nur unter sehr strengen Voraussetzungen entzogen werden. Mit einer solchen Pflichtteilsentziehung hat sich das Saarländische Oberlandesgericht im Beschluss vom 12.12.2017 (5 W 53/17) auseinandergesetzt. Eine Pflichtteilsentziehung ist gemäß § 2333 BGB in folgenden Fällen möglich:

  1. Wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser, seinen Ehegatten oder einem seiner Abkömmlinge oder einer ihm sonst nahestehenden Person nach dem Leben trachtet.
  2. Wenn der Pflichtteilsberechtigte sich eines schweren Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser, oder einer ihm nahestehenden Person schuldig macht.
  3. Wenn der Pflichtteilsberechtigte die ihm dem Erblasser gegenüber bestehenden Unterhaltspflichten böswillig verletzt oder
  4. wenn der Pflichtteilsberechtigte wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wurde, oder wegen einer ähnlich schweren Tat die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt angeordnet wird und aus diesem Grund es dem Erblasser unzumutbar ist, den Pflichtteilsberechtigten am Nachlass zu beteiligen.

Die Pflichtteilsentziehung muss durch eine letztwillige Verfügung erfolgen und es muss der Grund der Entziehung in der Verfügung angegeben werden.

Im Streitfall hatte die Erblasserin drei Kinder hinterlassen, eine Tochter sowie zwei Söhne, wobei einer der Söhne bereits vorverstorben war. Der zweite Sohn wurde wegen schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Erblasserin hatte vor ihrem Tod verfügt, dass die Tochter Alleinerbin sein soll und ihrem Sohn den Pflichtteil entzogen. Dies hat sie zum einen mit der Verurteilung wegen des schweren räuberischen Diebstahls begründet, zum anderen mit weiteren, allerdings nicht näher konkretisierten Straftaten, die der Sohn innerhalb der Familie begangen haben soll, beispielsweise Einbrüche in ihre Wohnung und die Wohnung der Tochter, sowie diverse Diebstahlsfälle innerhalb der Familie, die aber nicht zur Anzeige gebracht wurden.

Die Voraussetzungen einer Pflichtteilsentziehung lagen nach Auffassung des OLG nicht vor. Denn der Sohn wurde zwar zu einer Straftat mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt, diese wurde aber zur Bewährung ausgesetzt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ist in diesem Fall eine Pflichtteilsentziehung nicht möglich. Auch der Umstand, dass die Aussetzung der Strafe zur Bewährung später widerrufen wurde ändert aus Sicht des OLG nichts, da die Bestimmung des § 2333 BGB abschließend und nicht analogiefähig ist. Bei der Fassung des Gesetzes, nach der die Straftat als solche der Maßstab für eine Pflichtteilsentziehung ist, seien spätere Entwicklungen nach der Tat bzw. der Verurteilung nicht zu berücksichtigen. Der Umstand, dass es nach den Ausführungen der Erblasserin im Testament weitere Einbruchs- und Diebstahlsfälle in der Familie gegeben hat, hätte möglicherweise für eine Pflichtteilsentziehung ausgereicht. Allerdings setzt die Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung neben der Entziehungserklärung auch die Angabe eines zutreffenden Kernsachverhalts im Testament voraus. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Erblasser in die Einzelheiten geht, allerdings müssen zumindest nach Ort und Zeit bestimmbare Vorgänge bezeichnet werden, weil die Entziehung andernfalls auch auf solche Vorwürfe gestützt werden könnte, die für den Erblasser nicht bestimmend waren, sondern erst nachträglich vom Erben erhoben und vom Richter für begründet erklärt werden. Der bloß oberflächliche Hinweis in dem Testament auf weitere Straftaten ohne jedes fassbare Kerngeschehen war aus Sicht des OLG nicht für eine formwirksame Pflichtteilsentziehung ausreichend.

Will der Erblasser einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, muss genau geprüft werden, ob die Voraussetzungen überhaupt vorliegen und ist dringend darauf zu achten, dass dann auch die Form gewahrt wird, d.h. dass die Entziehung in einem Testament erfolgt und in diesem die Gründe für die Entziehung hinreichend dargelegt werden. Liegen die Voraussetzungen für eine Pflichtteilsentziehung nicht vor, bestehen Möglichkeiten, den Pflichtteil zu schmälern, z.B. durch Verfügungen zu Lebzeiten des Erblassers. Auch hier sollte zunächst juristischer Rat eingeholt werden.