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OLG Rostock, Beschluss vom 22.08.2016 – 3 W 53/16 – Vollstreckung der Betriebspflicht


Das Oberlandesgericht Rostock befasste sich mit Beschluss vom 22.08.2016 – 3 W 53/16 – mit der Frage, wie eine einstweilige Verfügung zu vollstrecken ist, mit der dem Mieter auferlegt wurde, die mietvertragliche Betriebspflicht zu erfüllen.

Es geht um in einem Einkaufszentrum in Stralsund belegene Räume, die zum Betrieb eines Bekleidungsgeschäftes vermietet wurden. Der Mietvertrag enthält eine Betriebspflicht. Am 01.11.2015 wurde der Centermanager des Einkaufszentrums durch ein vom Mieter im Ladenlokal angebrachtes Hinweisschild darauf aufmerksam, dass der Betrieb zum 01.01.2016 eingestellt werde. Der Vermieter erwirkte daraufhin mit Beschluss vom 15.12.2015 eine einstweilige Verfügung, mit welcher dem Mieter auferlegt wurde, das von ihm zum Betrieb eines Bekleidungseinzelhandelsgeschäftes angemietete Ladenlokal über den 31.12.2005 hinausgehend in der Zeit von Montag bis Samstag von 9:00 Uhr bis 20:00 Uhr zu betreiben. Der Mieter hat das Ladenlokal dennoch geräumt und den Betrieb eingestellt. Der Vermieter hat daraufhin beantragt, gegen den Mieter zur Erzwingung der in der einstweiligen Verfügung angeordneten Betriebspflicht ein Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft festzusetzen. Der Mieter wendet ein, der Antrag sei unbegründet, denn er könne den Betrieb nicht allein aufrechterhalten. Er sei davon abhängig, dass Angestellte beschäftigt würden und dass Lieferungen seiner zu verkaufenden Ware erfolgten. Diese Voraussetzungen lägen aber nicht vor, denn die Arbeitsverhältnisse mit allen Angestellten seien beendet und die vorhandenen Waren unterlägen Eigentumsvorbehalten und würden von den jeweiligen Lieferanten abgeholt. Das Landgericht Stralsund hat mit Beschluss vom 29.02.2016 den Antrag des Vermieters zurückgewiesen. Dieser sei unbegründet, denn die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes und ersatzweise von Zwangshaft gemäß § 888 ZPO seien nicht gegeben. § 888 ZPO setze voraus, dass die zu vollstreckende Handlung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhänge. Die Zwangsvollstreckung sei ausgeschlossen, wenn die Erfüllung der Betriebspflicht nicht ausschließlich vom Willen des Schuldners abhänge. Vorliegend sei die Erfüllung der Betriebspflicht nicht ausschließlich vom Willen des Mieters abhängig. Folglich sei der Antrag zurückzuweisen.

Das Oberlandesgericht Rostock sieht das natürlich anders. Andernfalls könnte die mietvertraglich geregelte Betriebspflicht in einer Vielzahl von Fällen umgangen werden, indem der Mieter den Betrieb einstellt, seine Mitarbeiter entlässt und keine Waren mehr bestellt. Das Oberlandesgericht Rostock ändert den Beschluss des Landgerichts Stralsund ab. Gegen den Mieter wird zur Erzwingung der Betriebspflicht ein Zwangsgeld von EUR 2.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von fünf Tagen festgesetzt. Das Oberlandesgericht Rostock führt aus, dass entgegen der Annahme des Landgerichts Stralsund die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes und ersatzweise von Zwangshaft gemäß § 888 ZPO gegeben sind. Gemäß § 888 Abs. 1 ZPO ist zur Vornahme einer Handlung des Schuldners Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft anzuordnen, wenn eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und diese ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Voraussetzung ist somit zum einen, dass die Handlung nicht durch einen Dritten vorgenommen werden kann, also nicht nach § 887 ZPO vollstreckt werden kann, indem der Gläubiger ermächtigt wird, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen. Eine unvertretbare Handlung im Sinne von § 888 Abs. 1 ZPO liegt vor, wenn die Handlung aus verständiger Sicht des Gläubigers nur vom Schuldner vorgenommen werden kann (so Schuschke in Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, Teil 16, Abschnitt 2, Kap. 2, Rn. 164). Das ist bei der Erfüllung der Betriebspflicht aus einem Gewerberaumietvertrag der Fall. Zur Aufrechterhaltung des Betriebs des streitgegenständlichen Bekleidungsgeschäftes ist es erforderlich, Arbeitsverträge und Lieferverträge zu schließen, die den Mieter persönlich binden und somit auch nur von ihm oder durch von ihm bevollmächtigte Dritte geschlossen werden können. Zudem würde der Betrieb des Bekleidungsgeschäftes durch einen Dritten der Erfüllung der Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter während der Laufzeit des Mietvertrags den vertragsgemäßen Gebrauch zu überlassen, entgegenstehen. Weitere Voraussetzung des § 888 Abs. 1 ZPO ist, dass die Handlung ausschließlich vom Willen des Mieters abhängt. Das bedeutet nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur aber nicht, dass eine Vollstreckung gemäß § 888 ZPO schon dann ausscheidet, wenn auch nur eine Mitwirkung eines Dritten für die Erbringung der zu vollstreckenden Handlungen erforderlich ist. Daher steht es grundsätzlich der Vollstreckbarkeit einer Betriebspflicht eines Geschäftsbetriebes in Gewerberäumen nicht entgegen, dass es hierfür erforderlich ist, Vertragsbeziehungen zu Mitarbeitern und Lieferanten zu unterhalten, so dass sowohl der Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf die Erfüllung der Betriebspflicht als auch ihre Vollstreckung nach § 888 ZPO in Betracht kommen (OLG Hamburg, NZM 2014, 273; LG Kassel, ZMR 2016, 36; OLG Frankfurt, ZMR 2009, 446; OLG Celle, NJW-RR 1996, 585; OLG Düsseldorf, GuT 2004, 17; Zöller, ZPO, § 888 Rn. 3; anderer Auffassung allerdings OLG Naumburg, NZM 1998, 575 und OLG Hamm, NJW 1973, 1135). Eine Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO scheidet vielmehr erst dann aus, wenn dem Vollstreckungsschuldner die Erlangung der Mitwirkungshandlung des Dritten objektiv oder subjektiv eindeutig unmöglich ist. Es muss feststehen, dass der Schuldner erfolglos alle ihm zumutbaren Maßnahmen einschließlich eines gerichtlichen Vorgehens unternommen hat, um den Dritten zu seiner Mitwirkung zu veranlassen, wofür den Vollstreckungsschuldner die Vortrags- und Beweislast trifft (BGH, NJW-RR 2009, 443; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.). Das Oberlandesgericht Rostock schließt sich der vorgenannten herrschenden Meinung an. Es hält den Verteidigungsvortrag des Mieters nicht für ausreichend. Dieser hat nicht vorgetragen, dass er versucht habe, gegebenenfalls neue Arbeitsverträge mit früheren Mitarbeitern oder auch neuen Mitarbeitern abzuschließen. Ebenso hat er nicht vorgetragen, dass er keinen Lieferanten finden kann, der ihm Bekleidungsartikel liefert, die er sodann im Rahmen seiner Betriebspflicht in den Geschäftsräumen anbieten kann. Allein der Umstand, dass der Mieter bestehende Arbeitsverträge bereits gekündigt und sein Gewerbe abgemeldet hat, begründet keine Unmöglichkeit der Fortsetzung des Geschäftsbetriebs. Der Mieter kann sein Gewerbe wieder anmelden, in den Geschäftsräumen selbst Verkaufstätigkeiten vornehmen oder erneut Mitarbeiter unter Vertrag nehmen. Dem Vortrag des Mieters war auch nicht zu entnehmen, dass er versucht hat, von verschiedenen Bekleidungslieferanten Warenlieferungen gegebenenfalls unter Eigentumsvorbehalt für die Fortsetzung seines Betriebs zu erlangen. Stattdessen hat er lediglich gegenüber dem Vermieter erklärt, dass er sich zur Fortführung des Betriebes nicht im Stande sehe. Für einen Wegfall der Betriebspflicht reicht es aber nicht, wenn das vom Mieter geführte Geschäft unrentabel ist, da die Erzielung von Gewinnen in der Risikosphäre des Mieters liegt (Ghassemi-Tabar, a.a.O., § 535 Rn. 548). Nach alledem genügt der Vortrag des Mieters nach zutreffender Ansicht des Oberlandesgerichts Rostock nicht, um einer Vollstreckung der einstweiligen Verfügung die Rechtfertigung zu entziehen.