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KG Berlin, Urteil vom 06.06.2016 – 8 U 40/15 – “Vermieter trägt bei Nebenkosten das Leerstandsrisiko


Das Kammergericht Berlin befasste sich mit Urteil vom 06.07.2016 – 8 U 40/15 – mit einer mietvertraglichen Formularklausel, wonach die Umlage der Nebenkosten im Verhältnis der Fläche des Mieters zu den „tatsächlich vermieteten Mietflächen im Objekt“ erfolgen soll. Ferner berief sich der Vermieter auf eine dahingehende mietvertragliche Ausschlussregelung, wonach Abrechnungen mangels Widerspruchs innerhalb von acht Wochen als anerkannt gelten.

Das Kammergericht entscheidet, dass die Klausel, wonach eine Anerkennung der Abrechnungen mangels Widerspruchs innerhalb von acht Wochen fingiert werden soll, gemäß § 307 BGB i.V.m. dem Gedanken des § 308 Nr. 5 BGB unwirksam ist, da sich der Vermieter in der Klausel nicht verpflichtet hat, den Mieter bei Beginn der Frist, also in der Abrechnung, auf die Bedeutung seines Schweigens gesondert hinzuweisen (so Kammergericht, ZMR 2011, 116 und BGH NJW 2014, 3722 Tz 31 f.).

Das Kammergericht nimmt ferner an, dass der durch Allgemeine Geschäftsbedingungen im Mietvertrag geregelte Umlagemaßstab, wonach die Kostenverteilung im Verhältnis der Mietfläche des jeweiligen Mieters zu den „tatsächlich vermieteten Mietflächen im Objekt“ erfolgen soll, gemäß § 307 BGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam ist. Mit der Wahl dieses Umlagemaßstabs hält der Vermieter von vornherein jede eigene Beteiligung an den Nebenkosten, die auf Leerstandsflächen entfallen, von sich fern. Das ist jedoch in Bezug auf Kosten, die nicht ausschließlich verbrauchsabhängig anfallen, wegen unangemessener Benachteiligung auch des gewerblichen Mieters nach § 307 BGB unwirksam. Zu den wesentlichen Grundgedanken des Betriebskostenrechts gehört der Grundsatz, dass der Vermieter bei der Umlegung von Betriebskosten das Leerstandsrisiko zu tragen hat. Dies ist Konsequenz seines Vermietungsrisikos (BGH NJW 2010, 3645 Tz 13, 23 und BGH NJW 2006, 2771 Tz 13). Eine Klausel, die dieses Risiko dem Mieter überbürdet, ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren und benachteiligt den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Zweifel unangemessen nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Diese Wertung ist nicht auf die Wohnraummiete beschränkt. Die Risikoverteilung ist bei der gewerblichen Miete dieselbe. Der gewerbliche Mieter ist gegenüber Versuchen, ihn mit Nebenkosten zu belasten, die nach dem Gesetz der Vermieter zu tragen hätte, nicht grundsätzlich weniger schutzwürdig. Auch er ist davor zu schützen, dass er mit Kosten belastet wird, die nicht durch seinen Mietgebrauch veranlasst sind und die nicht in seinen Risikobereich fallen (BGH NJW 2014, 3722 Tz 22 und BGH NJW 2013, 41 Tz 17, jeweils betreffend Abwälzung von Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten an Gemeinschaftsflächen). Auch in der Literatur ist anerkannt, dass eine Klausel, die für nicht ausschließlich nutzungsabhängige Kosten eine Kostenumlage im Verhältnis zur „vermieteten Fläche“ vorsieht, nach § 307 BGB unwirksam ist (Wall, Betriebskostenkommentar, 4. Aufl., Rn. 1950; Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl., § 556 a Rn. 11; Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 556 a Rn. 17; Lindner-Figura u. a., Geschäftsraummiete, 3. Aufl., Kap. 11 Rn. 251; Ghassemi-Tabar, AGB im Gewerberaummietrecht, 2. Aufl., Rn. 84; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl., § 556 a Rn. 35). Zum gleichen Ergebnis kommt das OLG Hamburg im Urteil vom 22.08.1990 – 4 U 51/89, WuM 2001, 343). Der abweichenden Auffassung des OLG Düsseldorf im Urteil vom 21.05.2015 – 10 U 29/15, das die Wirksamkeit einer formularvertraglichen Klausel anerkannte, welche die „vermieteten Flächen“ als Umlagemaßstab ausweist, folgt das Kammergericht mit der überzeugenden Begründung nicht, das Oberlandesgericht Düsseldorf habe in seiner Entscheidung lediglich ausgeführt, „Vereinbarungen dieser Art sind in Mietverträgen über Geschäftsräume individualvertraglich uneingeschränkt und formularvertraglich jedenfalls dann zulässig, wenn sie … hinreichend klar formuliert sind und damit dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB genügen“, und hierbei habe das Oberlandesgericht Düsseldorf übersehen, dass eine derartige Klausel wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam ist. Das Kammergericht Berlin kommt zum Ergebnis, dass die Umlagevereinbarung insgesamt unwirksam ist und dass die dadurch entstehende Vertragslücke durch ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB dahin zu schließen ist, dass die Umlage im Verhältnis zur gesamten Nutzfläche des Objekts vorgenommen werden muss. Denn ein solcher Flächenmaßstab ist auch für verbrauchsabhängige Kosten als angemessen und üblich anzusehen (Staudinger, BGB, § 556 a Rn. 22 und Palandt, BGB, § 556 a Rn. 5) und entspricht auch der (wenn auch nur für Wohnräume geltenden) gesetzlichen Vorschrift des § 556 a BGB, die auf der Wertung des Gesetzgebers beruht, dass dieser Verteilungsschlüssel für alle Betriebskosten, für die ein anderer Abrechnungsmaßstab nicht gilt, sachgerecht ist (BGH NJW 2006, 2771 Tz 14). Daraus folgt die grundsätzliche Billigkeit dieses Umlageschlüssels auch für Gewerberäume (Schmidt-Futterer, a. a. O., § 556 a Rn. 21). Die Wahl des häufig vereinbarten, in § 556 a BGB für Wohnräume sogar gesetzlich als Regelmaßstab angeordneten Verteilerschlüssels der Gesamtfläche ist auch vorliegend in jeder Hinsicht interessengerecht. Die Belastung des Mieters durch Leerstände im Objekt wird auf diese Weise ausgeschlossen.