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BGH, Urteil vom 24.01.2018 – XII ZR 120/16 “Stillschweigende Verlängerung eines Mietverhältnisses nach fristloser Kündigung


Mit Urteil vom 24.01.2018 – XII ZR 120/16 – hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der die stillschweigende Verlängerung eines Mietverhältnisses nach Ablauf der Mietzeit hindernde Widerspruch konkludent, schon vor Beendigung des Mietverhältnisses und damit jedenfalls auch mit der Kündigung erklärt werden kann. In einem Räumungsverlangen kann eine solche konkludente Widerspruchserklärung liegen. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass der Vermieter vom Mieter den Mietausfallschaden nach einer außerordentlichen Vermieterkündigung eines befristeten Mietverhältnisses auch dann verlangen kann, wenn es gemäß § 545 BGB zu einer stillschweigenden unbefristeten Vertragsverlängerung kommt und der Mieter in der Folge seinerseits ordentlich kündigt. Der Bundesgerichtshof macht auch Ausführungen zur Pflicht des Vermieters, den Schaden gering zu halten und entscheidet, dass es sich beim Mietausfall als Kündigungsfolgeschaden nicht um ein Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG handelt, so dass der Schadensersatz die Umsatzsteuer nicht umfasst.

Zwischen den Parteien bestand seit Juli 2010 ein bis zum 30.06.2015 befristeter Mietvertrag über Räume, in denen der Beklagte einen Getränkehandel betrieb, wobei 840 m² auf Lagerraum und 100 m² auf Büroräume entfielen. Als monatliche Nettokaltmiete waren EUR 3.000 vereinbart, die zuzüglich Umsatzsteuer jeweils im Voraus spätestens am dritten Werktag des Monats zu zahlen waren. Mit Schreiben vom 28.01.2013 erklärte die Klägerin aufgrund von Mietrückständen des Beklagten in Höhe von zwei Monatsmieten die außerordentliche Kündigung mit folgendem Wortlaut (unter Übernahme sämtlicher Schreibfehler und sprachlicher Unebenheiten):

„Die angemahnte Miete mit Betriebskosten und Umsatzsteuer für Januar 2013, sowie eine Miete lt Vollstreckungsauftrag sind immer noch nicht eingegangen! Wir sprechen nun das Vermieter Pfandrecht, mit allen in Gebrauch befindlichen Gegenstände, aus und die fristlose Kündigung! Sie sollten uns die Räume in vertraglichen Zustand bis zum 30.01.2013 herausgeben!“

Der Beklagte räumte zunächst nicht, erklärte aber seinerseits mit Schreiben vom 20.02.2013 die Kündigung zum 31.05.2013 und räumte am 03.06.2013. Die Klägerin vermietete erst ab 15.03.2015 an einen neuen Mieter. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin ausgehend von einer Monatsmiete von EUR 3.000,00 zuzüglich EUR 570,00 Umsatzsteuer Zahlung einer Nutzungsentschädigung bzw. eines Kündigungsfolgeschadens für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 14.03.2015 in einer Gesamthöhe von EUR 55.162,26 geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Köln hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Köln meinte, ein vertraglichen Mietanspruch scheitere jedenfalls daran, dass die Klägerin das Mietverhältnis fristlos gekündigt, der Fortsetzung des Mietgebrauchs aber nicht widersprochen habe, so dass sich das Mietverhältnis nach § 545 S. 1 BGB auf unbestimmte Zeit verlängert habe. Das Kündigungsschreiben habe einen entgegenstehenden Willen der Klägerin nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Das Mietverhältnis habe sich daher auf unbestimmte Zeit mit der Folge verlängert, dass der Beklagte das Mietverhältnis zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen konnte. Die Anwendbarkeit des § 580 a Abs. 1 Nr. 3 BGB (Kündigungsfrist spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats) folge daraus, dass der ganz überwiegende Teil der vermieteten Räume aus Lagerflächen bestehe. Das Mietverhältnis sei mithin zum 30.05.2013 beendet worden. Ein Nutzungsentschädigungsanspruch steht der Klägerin daher nur für die ersten drei Junitage 2013 zu.

Der Bundesgerichtshof teilt die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Köln nicht. Zunächst beanstandet er die Meinung des Oberlandesgerichts, dass sich das Mietverhältnis aufgrund fortgesetzten Mietgebrauchs auf unbestimmte Zeit verlängerte. Die Verlängerung durch stillschweigende Fortsetzung des Mietgebrauchs gemäß § 545 BGB kann grundsätzlich auch nach einer außerordentlichen fristlosen Kündigung erfolgen. Der gemäß § 545 S. 1 Halbsatz 2 BGB die Verlängerung hindernde Widerspruch kann konkludent, schon vor Beendigung des Mietverhältnisses und damit jedenfalls auch mit der Kündigung erklärt werden. Eine konkludente Widerspruchserklärung muss jedoch den Willen des Vermieters, die Fortsetzung des Vertrags abzulehnen, eindeutig zum Ausdruck bringen. Nicht in jeder außerordentlichen Kündigung kann bereits eine Widerspruchserklärung gesehen werden. Die Entscheidung, ob eine außerordentliche Kündigung des Vermieters bereits die Erklärung beinhaltet, die Fortsetzung des Vertrags abzulehnen, hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgebend sind das Gewicht der Kündigungsgründe und die Bedeutung, welche der Vermieter ihnen nach dem Inhalt der Erklärung beigemessen hat (BGH NJW-RR 1988, 76; BGH NJW-RR 2006, 1385 Rn. 25; BGH NJW 2010, 2124 Rn. 7 ff.). In einem Räumungsverlangen kann ebenfalls eine solche konkludente Widerspruchserklärung liegen (BGH NJW-RR 2006, 1385 Rn. 25). Das Oberlandesgericht hat verkannt, dass die Klägerin ihren der Verlängerung entgegenstehenden Willen fristgerecht mit der notwendigen Klarheit zum Ausdruck gebracht hat. Das Kündigungsschreiben enthielt unbeschadet sprachlicher Mängel eine eindeutige Aufforderung zur Räumung binnen zwei Tagen und damit sogar eine ausdrückliche Fristsetzung. Der Beklagte konnte aus dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB dieses Kündigungsschreiben nur dahin verstehen, dass die Klägerin mit einer durch eine Weiternutzung bewirkten Vertragsverlängerung auf unbestimmte Zeit nicht einverstanden sein würde.

Unabhängig davon wäre auch ein befristet verlängertes Mietverhältnis im Dezember 2013 bereits beendet gewesen. Entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts Köln hätte die ordentliche Kündigung des Beklagten indessen nicht zu einer Beendigung mit Ablauf des 30.05.2013 (gemeint wohl: 31.05.2013), sondern erst zu einer solchen mit Ablauf des 30.09.2013 geführt. Die gesetzliche Kündigungsfrist bestimmt sich im vorliegenden Fall nicht nach § 580 a Abs. 1 Nr. 3 BGB. Einschlägig ist vielmehr § 580 a Abs. 2 BGB (bei einem Mietverhältnis über Geschäftsräume ist die ordentliche Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres zulässig), weil es sich bei den Mieträumen um Geschäftsräume im Sinne dieser Norm handelt. Als solche sind alle zu gewerblichen Zwecken vermieteten Räume anzusehen, also unter anderem auch einem Geschäftsbetrieb dienende Lagerräume (so unter anderem Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, § 580 a BGB Rn. 21 mwN). Auf die Überlegung des Berufungsgerichts, vorliegend überwögen eindeutig die Lagerflächen, kommt es mithin nicht an. Die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 22.02.2013 hätte demnach den Vertrag mit Ablauf des September 2013 beendet.

Richtig ist zwar, dass ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung für den Zeitraum ab Dezember 2013 bereits daran scheitert, dass die Mietsache schon Anfang Juni 2013 zurückgegeben worden ist. Der Klägerin steht jedoch gegen den Beklagten möglicherweise ein Schadensersatzanspruch im Umfang des im Mietausfall liegenden Kündigungsfolgeschadens zu. Der Höhe nach kann sich dieser Anspruch jedoch allenfalls auf EUR 46.154,84 belaufen. Endet ein befristetes Mietverhältnis – wie hier durch die Kündigung der Klägerin vom 28.01.2013 wegen Zahlungsverzugs – vorzeitig durch außerordentliche Kündigung aus vom Mieter zu vertretenden Gründen, hat der Mieter dem Vermieter gemäß §§ 280 Abs. 1, 314 Abs. 4, 249 Abs. 1, 252 BGB grundsätzlich den Schaden zu ersetzen, der diesem in Gestalt der bis zum Ablauf der fest vereinbarten Vertragsdauer entgehenden Miete entsteht (BGH NZM 2005, 340, 341). Um einen solchen Mietausfallschaden geht es vorliegend, da die Klägerin den Ersatz von Mieten begehrt, die sie bei Durchführung des Mietverhältnisses bis zum Ende der vertraglichen Befristung gemäß § 535 Abs. 2 BGB vom Beklagten hätte beanspruchen können. Diesen vertraglichen Anspruch hat sie aufgrund des vom Beklagten zu vertretenden Verzugs mit Mietzahlungen, der zu der außerordentlichen Kündigung geführt hat, verloren. Diesem Schadensersatzanspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum stünde im Übrigen selbst eine – hier nicht erfolgte – stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses gemäß § 545 S. 1 BGB nicht entgegen. Denn auch dann wäre der Mietvertrag durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vor dem Ende der ursprünglich vereinbarten festen Vertragslaufzeit beendet worden. Dass die langfristige Vertragsbindung weggefallen ist, beruht jedoch auf der Pflichtverletzung des Beklagten, aufgrund derer die Klägerin zur außerordentlichen Kündigung berechtigt war. Eine (unterstellte) stillschweigende Verlängerung würde diesen Zurechnungszusammenhang nicht unterbrechen, weil auch das mit einer stillschweigenden Vertragsverlängerung einhergehende ordentliche Kündigungsrecht des Beklagten auf dessen vertragswidriges Verhalten zurückzuführen wäre. Vielmehr ist diese Konstellation nicht anders zu beurteilen als der Fall, dass der Vermieter nach der vom Mieter zu vertretenden vorzeitigen Vertragsbeendigung einen Vertrag mit einem Nachmieter abschließt, der dann vertragsgemäß weniger oder auch – seinerseits vertragswidrig – gar nichts mehr zahlt. Auch dort muss der ursprüngliche Mieter dem Grundsatz nach für den Mietausfallschaden des Vermieters aufkommen (BGH NJW 2003, 3053 f.). Denn die stillschweigende Vertragsverlängerung steht nicht einer einvernehmlichen Aufhebung der festen Vertragslaufzeit gleich, sondern setzt voraus, dass das ursprüngliche Vertragsverhältnis mit seiner zeitlichen Bindung weggefallen ist, und führt kraft gesetzlicher Anordnung ohne übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien zur unbefristeten Fortsetzung des Vertragsverhältnisses (Palandt, BGB, § 545 Rn. 10).

Der Höhe nach kann sich der ersatzfähige Mietausfallschaden der Klägerin für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 14.03.2015 in der Hauptsache jedoch allenfalls auf die entgangene Nettomiete von insgesamt EUR 46.354,84 (15 Monate zuzüglich einem 14/31 Monat x EUR 3.000) belaufen. Denn bei Mietausfall als Kündigungsfolgeschaden handelt es sich nicht um ein Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Anders als die Nutzungsentschädigung steht dieser Schadensersatz nicht in einer Wechselbeziehung mit einer Leistung des ehemaligen Vermieters (BGH ZMR 2008, 867 Rn. 28; Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, § 1 UStG Rn. 12 ff.; anders bei einer Abstandszahlung des Mieters, weil der Vermieter auf seine Rechte aus dem noch laufenden Vertrag verzichtet: HessFG Urteil vom 27.04.2017 – 6 K 1986/16 – juris Rn. 19 ff.).

Der Bundesgerichtshof konnte die Sache aber nicht abschließend selbst entscheiden, weil noch die Frage eines möglichen Verstoßes der Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht und damit ein mögliches Mitverschulden der Klägerin im Sinne des § 254 Abs. 2 S. 1 letzte Alternative BGB in tatsächlicher Hinsicht zu klären ist. Diese Vorschrift begründet keine Einrede, sondern einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Einwand, sofern sich die entsprechenden Tatsachen aus dem Vortrag auch nur einer Partei ergeben. Im vorliegenden Fall ist die Räumung am 03.06.2013, eine Weitervermietung jedoch erst zum 15.03.2015 und damit nach Ablauf eines Zeitraums von mehr als 21 Monaten erfolgt. Auch wenn aus der Pflicht des Vermieters zur Schadensgeringhaltung nicht die Verpflichtung folgt, sofort um jeden Preis zu vermieten, drängt sich angesichts der zeitlichen Abfolge die Frage auf, inwiefern die Klägerin Weitervermietungsbemühungen unternommen hat. Das wird das Oberlandesgericht Köln noch zu klären haben.