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OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.07.2017 – 2 U 152/16 Schriftformmangel aufgrund einer Nachtragsvereinbarung; Sperrung einer Landstraße als Mangel der vermieteten Gaststätte


Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 05.07.2017 – 2 U 152/16 – ist aus zwei Gründen interessant. Zum einen beschäftigt sich das Oberlandesgericht mit der Frage, ob die zeitweise Sperrung einer Landstraße, die durch ein Ausflugsgebiet führt und an welcher eine vermietete Gaststätte liegt, einen Mietmangel darstellt. Und zum anderen zeigt das Urteil, wie leicht es bei Abschluss einer Nachtragsvereinbarung passieren kann, dass die gesetzliche Schriftform nicht gewahrt wird, so dass das Mietverhältnis ordentlich kündbar ist.

  1. Schriftformmangel

Mit Mietvertrag vom 21.08.2009 mietet der Mieter vom Vermieter das Gasthaus A mit Außenflächen. Vereinbart ist eine Festlaufzeit bis zum 31.08.2017. Der Mieter erklärt mit Schreiben vom 20.06.2015 die ordentliche Kündigung zum 31.12.2015. Der ursprüngliche Mietvertrag vom 21.08.2009 wahrte die gesetzliche Schriftform, da er alle wesentlichen Vertragsumstände enthält. Mit Nachtragsvereinbarung vom 03.05.2012 vereinbarten die Vertragsparteien eine Herabsetzung der Miete für die Zeit von September 2012 bis Ende des Jahres 2014. Die Nachtragsvereinbarung vom 03.05.2015 wahrte die gesetzliche Schriftform, denn in ihr wurde hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Mietvertrag Bezug genommen. Die Parteien schlossen aber am 29.05.2013 eine weitere Ergänzungsvereinbarung, mit der dem Vermieter ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall eines Verkaufs des Anwesens eingeräumt wurde. In dieser zweiten Nachtragsvereinbarung vom 29.05.2013 wurde zwar auf den Ursprungsmietvertrag, nicht aber auf die erste Nachtragsvereinbarung vom 03.05.2012 Bezug genommen. Dies begründet nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main einen Schriftformmangel. Beide Nachtragsvereinbarungen enthalten für die Vertragsparteien sowie einen potentiellen Grundstückserwerber erhebliche Regelungen. Dies gilt sowohl für Vereinbarungen über eine Reduzierung der Miete für einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren als auch für die Einräumung eines außerordentlichen Kündigungsrechts für den Vermieter im Falle eines Verkaufs des Anwesens. Die Ergänzungsvereinbarung vom 29.05.2013 nennt allein den ursprünglichen Mietvertrag, nicht aber auch die erste Ergänzungsvereinbarung vom 03.05.2012. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der weiteren Ergänzungsvereinbarung am 29.05.2013 war diese erste Vereinbarung jedenfalls auch noch relevant, da sie eine Herabsetzung der Miete noch bis Ende 2014 regelte. Grundsätzlich nicht mehr relevant war sie aber zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung mit Schreiben vom 20.06.2015. Mithin könnte sich dieser Schriftformverstoß nicht mehr ausgewirkt haben und daher irrelevant geworden sein. Grundsätzlich ist es möglich, dass die Wahrung der gesetzlichen Schriftform eines zunächst nicht in dieser gebotenen Schriftform gefassten Mietvertrages nachträglich dadurch eintritt, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse so ändern, dass sie von da an dem Inhalt des Vertrages entsprechen. Der Zweck der gesetzlichen Schriftform wird hierdurch gewahrt, wenn weder die Vertragsparteien selbst noch ein potentieller Erwerber ein Interesse an der Kenntnis oder der Beweisbarkeit einer Abrede haben, die wegen Zeitablaufs keinerlei Relevanz mehr für einen von ihnen hat. Dies folgt auch aus der Voraussetzung dafür, dass die gesetzliche Schriftform überhaupt zu wahren ist, dass der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr geschlossen ist (§ 550 BGB). Entsprechendes gilt für eine Nachtragsvereinbarung, die gleichfalls nur dann der Schriftform des § 550 BGB bedarf, wenn sie bindend für mehr als ein Jahr getroffen ist (BGH NZM 2016, 98 ff.). Die Vertragsparteien hatten die Vereinbarung über die Herabsetzung der Miete für mehr als ein Jahr getroffen, diese Herabsetzung betraf aber lediglich die Mieten bis einschließlich des Jahres 2014. Dieser Zeitraum war zum Zeitpunkt des Ausspruchs und des Zugangs der Kündigung im Jahr 2015 abgelaufen, so dass die Herabsetzung nicht mehr für ein weiteres Jahr gelten würde. Dennoch kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die für die Vergangenheit getroffene Regelung noch Bedeutung auch für die Zukunft haben könnte. Die Vereinbarung galt fort, sie war nicht zwischenzeitlich aufgehoben worden. Es ist demzufolge grundsätzlich denkbar, dass sich die Rechte und Pflichten aus der Zusatzvereinbarung vom 03.05.2012 auch noch für die Zeit nach dem 20.06.2015 auswirken konnten, etwa wenn insoweit Zahlungsrückstände bestehen sollten, die zudem gegebenenfalls für die Frage des Eintritts eines außerordentlichen Kündigungsrechts wegen Zahlungsverzugs von Bedeutung sein könnten, oder wenn dem Mieter gegebenenfalls Minderungsrechte zustehen, die er noch nachträglich geltend machen könnte. Zwar gab es nach dem Vortrag der Parteien keine konkreten Anhaltspunkte für das Bestehen solcher etwaiger wechselseitiger Ansprüche. Die abstrakte Möglichkeit reicht aber insoweit aus (BGH NZM 2016, 98 ff.). Somit war der Mieter berechtigt, den Mietvertrag wegen eines Schriftformmangels ordentlich zu kündigen. Das Berufen auf den Mangel der gesetzlichen Schriftform verstößt auch nicht ausnahmsweise gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Rechtsfolge der ordentlichen Kündbarkeit des Vertrags hat für den Vermieter keine gänzlich unzumutbare Situation zur Folge.

  1. Sperrung der Landstraße

Die Gaststätte lag an einer Landstraße, die durch ein Ausflugsgebiet (das Wispertal) führt. Auf die Ankündigung längerfristiger Straßensperren, welche die Zufahrt zu dem Gasthaus über die Landstraße beeinträchtigten, erklärte der Mieter mit Schreiben vom 20.06.2015 die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main führt aus, dass die Sperrung der Landstraße zwar als Mangel der Mietsache zu qualifizieren ist, jedoch kein Recht zur fristlosen außerordentlichen Kündigung begründet.

Die angekündigte Teilsperrung der zu dem Gasthaus führenden Landstraße stellt einen Mangel der Mietsache dar, denn die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache war hierdurch erheblich beeinträchtigt. Zwar war die Mietsache selbst mangelfrei. Ein Mangel der Mietsache kommt aber auch dann in Betracht, wenn das Mietobjekt selbst ordnungsgemäß ist, aber eine Einwirkung von außen vorliegt, welche sich unmittelbar auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache auswirkt (BGH NZM 2015, 481 ff.). Dabei ist stets zu beachten, dass auch bei einem Gewerberaummietverhältnis das Verwendungs- und Ertragsrisiko grundsätzlich in den Risikobereich des Mieters fällt. Ob nachteilige Umstände im Umfeld eines Mietobjekts einen Mangel der Mietsache begründen können, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den vertraglichen Vereinbarungen, den Kenntnissen der Vertragsparteien, der Art und Intensität der Beeinträchtigungen sowie deren Üblichkeit im Hinblick auf die Lage des Mietobjekts. Dabei ist eine Risikoverteilung zwischen dem vom Mieter selbst zu tragenden allgemeinen Risiko und dem Risiko der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache vorzunehmen, speziell dem Risiko des Einstehenmüssens für Umweltmängel, soweit es den Vermieter trifft. Die Sperrung der Straße wirkte sich unmittelbar nachteilig auf das Mietobjekt aus, da die Attraktivität der vermieteten Gaststätte gerade auch auf seiner besonderen Lage in einem Ausflugsgebiet und seiner Erreichbarkeit als Ausflugslokal für Reisende, die das Ausflugsgebiet durchqueren wollen gründet. Ein solches Durchqueren war nicht mehr in gleicher Weise, sondern nur bei Inkaufnahme eines erheblichen Umwegs möglich. Auch wenn die Gaststätte zugleich ein attraktives Ausflugsziel für die Bewohner umliegender Ortschaften ist, so steht diese Zielrichtung doch nicht im Vordergrund, weil sie die Attraktivität des Objekts nur in deutlich geringerem Maße gewährleisten könnte. Diese Umstände waren beiden Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrags bekannt. Zwar sind die Lage einer Gaststätte und ihr Umfeld stets für deren Attraktivität von Bedeutung. Die besondere Lage dieses Objekts begründete aber gerade erst seine sinnvolle Nutzbarkeit und damit seine Vermietbarkeit überhaupt und insbesondere zu einem Mietzins wie dem in dem Mietvertrag vereinbarten. Zu dieser besonderen Lage gehört untrennbar die Erreichbarkeit für Gäste mit dem PKW, die grundsätzlich von beiden Seiten des Erholungsgebiets Wispertal gegeben ist. Die Erreichbarkeit in diesem Sinne ist daher als Teil der vertraglichen Vereinbarungen im Sinne einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen. Mit der Sperrung einer Zufahrt zu der Gaststätte liegt eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer vertraglich vereinbarten Nutzbarkeit vor. Hierfür hat der Vermieter einzustehen. Bei der Teilsperrung einer Straße handelt es sich um einen objektbezogenen Umstand, der dem Risikobereich des Vermieters unterfällt, nicht um einen auf den Betrieb der Gaststätte selbst bezogenen Umstand, für welchen der Mieter und Betreiber der Gaststätte einzustehen hätte (BGH NZM 2014, 156 ff.). Das Fehlen eines Verschuldens des Vermieters an der Durchführung der Arbeiten oder auch nur die Möglichkeit einer Einflussnahme steht der Annahme eines Mangels der Mietsache nicht entgegen. Die Erreichbarkeit des Mietobjekts für Reisende, die das Erholungsgebiet mit dem PKW durchfahren, stellt eine Grundlage der sinnvolle Nutzbarkeit des Mietobjekts als Gaststätte dar und ist mithin grundsätzlich Vertragsinhalt im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung geworden. Die Duldungspflicht des § 906 BGB (der Eigentümer hat die Straßensperrung zu dulden) ist demzufolge für die Beurteilung, ob ein Mangel der Mietsache vorliegt, insoweit grundsätzlich nicht relevant. Bei den Folgen der Sperrung handelt es sich auch um eine unmittelbare Beeinträchtigung des Mietobjekts. Zwar begründet nicht jede Erschwernis der Erreichbarkeit des Mietobjekts durch eine Änderung der Verkehrsführung oder durch sonstige Umstände einen Mangel, insbesondere wenn sie auf allgemeinen Änderungen in der Verkehrsführung zurückzuführen sind, die auf einer Weiterentwicklung der städtebaulichen Entwicklung oder von Verkehrskonzepten beruhen, mit denen auch ein Mieter im allgemeinen grundsätzlich rechnen muss (BGH NZM 2015, 481 ff.). Hier handelt es sich aber nicht um eine solche Änderung von Verkehrskonzepten oder ähnliche Umstände, sondern um vorübergehende, die grundsätzlich verbleibende Nutzbarkeit des Mietobjekts für einen gewissen Zeitraum übermäßig einschränkende Umstände, wie dies gleichfalls bei durch einen Vermieter nicht zu verhindernden Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück der Fall ist (BGH GE 2015, 1395 f.).

Die Behinderung des Gaststättenbetriebs durch die teilweise Sperrung der Straße war aber nicht so erheblich, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Mieter bis zu dessen Beendigung nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Sperrung nur vorübergehender Natur war, dass sie insbesondere für die Herbst- und Wintermonate angekündigt war und dass den Vermieter an der Sperrung kein Verschulden traf. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Mieter während der Dauer der Sperrung nur eine geminderte Miete schuldet. Somit war der Mieter nicht berechtigt, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen. Er war nur befugt, die Miete zu mindern. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main geht davon aus, dass eine Minderung der Miete um ein Drittel angemessen ist, wobei die Möglichkeit, die Gaststätte unter Inkaufnahme eines erheblichen Umwegs doch zu erreichen, nur in geringem Maße ins Gewicht fiel, da ein solcher Umweg für mögliche Besucher der Gaststätte ein erhebliches Hemmnis darstellt.