Project Description

OLG Dresden, Urteil vom 23.11.2016 – 5 U 2031/15 „Schriftform und Schriftformheilungsklausel


Das Oberlandesgericht Dresden hat mit Urteil vom 23.11.2016 – 5 U 2031/15 – die Frage behandelt, wie genau ein Pachtgegenstand zur Wahrung der gesetzlichen Schriftform aus § 550 BGB bestimmt sein muss. Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht Dresden gemeint, eine Schriftformheilungsklausel binde die ursprünglichen Vertragsparteien mit der Folge, dass es treuwidrig ist, sich auf einen Schriftformmangel zu berufen. Es ist allerdings außerordentlich zweifelhaft, ob die Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Dresden zur Schriftformheilungsklausel vom Bundesgerichtshof – der zu dieser Rechtsproblematik noch nicht Stellung genommen hat – geteilt würde.

Gegenstand des Urteils ist ein Hotelpachtvertrag. Die Aussagen des Oberlandesgerichts können aber ohne Abweichungen auch auf Gewerbemietverträge übertragen werden. Der Hotelpachtvertrag war befristet abgeschlossen worden bis 31.12.2031. Der Pächter hatte das gepachtete Hotel vor Abschluss des Hotelpachtvertrages bereits mehrere Jahre lang als Unterpächter genutzt gehabt. Mit Schreiben vom 30.06.2015 kündigte der Pächter den Vertrag unter Berufung auf einen Schriftformmangel zum 31.12.2015. Begründet wurde dies damit, dass aus dem Pachtvertrag nicht hervorgehe, welcher Bereich im Innenhof, der als Terrasse genutzt wurde, allein vom Pächter und welcher von dem benachbarten Restaurant genutzt werden dürfe. Das Oberlandesgericht Dresden nimmt an, dass die Kündigung unwirksam sei, weil kein Schriftformmangel vorliege. Aber selbst wenn man einen Formfehler unterstellte, wäre der Pächter aufgrund der im Pachtvertrag enthaltenen Schriftformheilungsklausel an einer ordentlichen Kündigung gehindert.

Das Oberlandesgericht Dresden geht davon aus, dass ein Schriftformverstoß nicht gegeben ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Schriftform der §§ 550, 126 BGB nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere den Miet- bzw. Pachtgegenstand, die Miete/Pacht sowie die Dauer und die Parteien des Miet-(Pacht-)Verhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt (BGH NJW 2014, 52 Rn. 22). Der Pachtgegenstand muss zur Wahrung der Schriftform so hinreichend bestimmbar bezeichnet sein, dass es einem Erwerber, dessen Schutz die Schriftform in erster Linie bezweckt, im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses möglich ist, den Gegenstand zu identifizieren und seinen Umfang festzustellen (BGH NJW 2000, 354, 358 Rn. 71). Es ist nicht zusätzlich erforderlich, dass diese Feststellung „unschwer“ erfolgen kann. Es genügt vielmehr, wenn sich etwaige Zweifel an der exakten Lage des Pachtgegenstandes auch ohne Zuhilfenahme von Anlagen zum Pachtvertrag, insbesondere anhand des Umfangs der tatsächlichen, bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses währenden Nutzung durch den Pächter im Rahmen des vorangegangenen Pachtverhältnisses, auf das der Hauptvertrag hinweist, beseitigen lassen (so BGH NJW 2000, 354). Zweifel lassen sich mithin durch Auslegung beseitigen, weil auch formbedürftige Vertragsklauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, wenn sie sich als unklar oder lückenhaft erweisen. Selbst wesentliche Tatbestandsmerkmale des Rechtsgeschäfts brauchen daher nicht bestimmt angegeben zu werden, sofern nur die Einigung über sie beurkundet ist und ihr Inhalt bestimmbar bleibt. Insoweit darf auch auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden (BGH, Urteil vom 30.04.2014 – XII ZR 146/12 -, Rn. 23). Vorliegend war der Pachtgegenstand aus der Vertragsurkunde selbst nicht eindeutig ersichtlich. Eine genauere Beschreibung der zur Nutzung verpachteten Außenanlagen und eine Abgrenzung der Nutzungsbereiche des Pächters zu denen anderer Nutzungsberechtigter, insbesondere dem Pächter des auf dem Grundstück befindlichen Restaurants, finden sich in dem Pachtvertrag nicht. Weder aus dem Vertragstext, noch dessen Anlagen können Lage und Umfang der mitverpachteten Außenflächen entnommen werden. Dennoch geht das Oberlandesgericht davon aus, dass auch die verpachteten Außenflächen zwar nicht bestimmt, aber hinreichend bestimmbar sind und deswegen das Schriftformerfordernis der §§ 550, 126 BGB gewahrt ist. Denn der Sachverhalt sei vorliegend nicht wesentlich anders gelagert als der der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.07.1999 (XII ZR 15/97, insbesondere Rn. 45) zu Grunde liegende Sachverhalt. Auch in der vom Oberlandesgericht Dresden entschiedenen Sache sollte sich der Umfang des Pachtgegenstandes nach dem eindeutigen Willen der Vertragsparteien aus dem Umfang der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits seit mehreren Jahren andauernden Nutzung des Pachtobjekts durch den Pächter (vor Vertragsabschluss des Pachtvertrags in der Eigenschaft als Unterpächter) bestimmen.

Nach zutreffender Auffassung des Oberlandesgerichts Dresden konnte ein Schriftformmangel auch nicht damit begründet werden, dass im Verlaufe des Pachtverhältnisses Meinungsverschiedenheiten darüber auftraten, in welchem Umfang der Pächter die Außenfläche nutzen darf. Denn für die Wahrung der Schriftform reicht die Bestimmbarkeit des Miet-/Pachtobjektes im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anhand der damals ausgeübten tatsächlichen Nutzung aus. Eine nachträgliche Erschwernis der Bestimmbarkeit durch Zeitablauf kann die so einmal gewahrte Form nicht mehr infrage stellen (so BGH, Urteil vom 07.07.1999 – XII ZR 15/97 -, Rn. 45).

Der Pachtvertrag enthielt eine dahingehende Klausel, dass sich die Vertragsparteien gegenseitig verpflichteten, „auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Einhaltung der Schriftform vorzeitig zu kündigen“. Das Oberlandesgericht Dresden meint, selbst wenn ein Schriftformmangel vorgelegen habe, wäre eine ordentliche Kündigung des Pachtvertrages ausgeschlossen, denn die Berufung des Pächters auf den Formverstoß wäre treuwidrig. Mit beachtlicher Auslegungsakrobatik meint das Oberlandesgericht Dresden, die Klausel sei wirksam. Das Gericht argumentiert, in der obergerichtlichen Rechtsprechung werde überwiegend davon ausgegangen, dass Schriftformheilungsklauseln vergleichbar der streitgegenständlichen jedenfalls im Verhältnis der Ursprungsparteien, welche diese Regelung selbst vereinbart haben, dazu führen, dass die Berufung auf einen Formmangel durch eine der Parteien so lange treuwidrig ist, solange sie nicht ernsthaft versucht hat, die andere Partei zu einer Heilung des Formmangels zu veranlassen (Kammergericht, Beschluss vom 09.05.2016 – 8 U 54/15; OLG Braunschweig, Urteil vom 17.09.2015 – 9 U 196/14; OLG Hamm, Urteil vom 26.04.2013 – 30 U 82/12; OLG Naumburg, Urteil vom 26.07.2012, NJW 2012, 3587). Der Bundesgerichtshof hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 22.01.2014 (XII ZR 68/10, NJW 2014, 1087) ausdrücklich offengelassen und nur ausgeführt, dass die Berufung des Grundstückserwerbers auf den Schriftformverstoß trotz Schriftformheilungsklausel nicht treuwidrig sei. Das Oberlandesgericht Dresden meint, die Klausel sei nicht unangemessen benachteiligend, da sie grundsätzlich jeder Partei zugutekommen könne. Beide Parteien seien bei Vertragsschluss gleichermaßen daran interessiert, den Vertrag entsprechend ihrer schriftlichen Vereinbarung zu befristen und an dieser Befristung unabhängig von etwaigen Formverstößen festzuhalten. Auch wenn der Bundesgerichtshof entschieden habe, dass die Klausel gegen § 550 BGB verstößt, führe dies nur dazu, dass sich ein Grundstückserwerber auf den Schriftformmangel berufen darf und nicht an die Schriftformheilungsklausel gebunden sei. Der Verstoß gegen § 550 BGB führe aber nicht zur Unwirksamkeit der Schriftformheilungsklausel nach § 307 Abs. 2 S. 1 BGB mit der Folge, dass sich die ursprünglichen Vertragsparteien nicht auf einen Schriftformverstoß berufen dürfen. Ob diese Rechtsauffassung allerdings richtig ist, darf bezweifelt werden. § 550 BGB ist zwingendes Recht. Verstößt eine Klausel gegen zwingendes Recht, dann ist sie meines Erachtens unangemessen benachteiligend, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Wenn das Oberlandesgericht Dresden meint, nur ein Grundstückserwerber sei nicht an die Schriftformheilungsklausel gebunden, wohl aber eine ursprüngliche Vertragspartei, dann stellt dies eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion dar. Es spricht deshalb vieles dafür, dass der Bundesgerichtshof anderer Ansicht sein wird, sofern er endlich einmal Gelegenheit hat, die für die Praxis sehr wichtigen Fragen zu beantworten, ob eine Schriftformheilungsklausel, die nach ihrem Wortlaut auch einen Erwerber bindet, insgesamt (also auch im Verhältnis der ursprünglichen Vertragsparteien) unwirksam ist und ob es rechtlich überhaupt zulässig ist, auch die ursprünglichen Vertragsparteien durch eine Formularklausel zu hindern, einen nicht der Schriftform genügenden Mietvertrag oder Pachtvertrag ordentlich zu kündigen. Im konkreten Fall wurde vom Oberlandesgericht Dresden die Revision allerdings nicht zugelassen, da die ordentliche Kündigung schon deshalb unwirksam war, weil kein Schriftformmangel festgestellt werden konnte.