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OLG Celle, Urteil vom 13.07.2016 – 2 U 45/16 – “Schönheitsreparaturen in der Gewerberaummiete


Mit Urteil vom 13.07.2016 – 2 U 45/16 – hat das Oberlandesgericht Celle entschieden, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Wohnraumsachen auch auf die Geschäftsraummiete anwendbar ist. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der formularmäßigen Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen einer dem Mieter unrenoviert übergebenen Wohnung ohne die Gewährung eines angemessenen Ausgleichs ist auf die Vermietung unrenoviert übergebener Geschäftsräume zu übertragen.

Der Mietvertrag über Gewerberäume wird im Jahre 2004 geschlossen. Der jetzige Vermieter ist durch Erwerb des Grundstückseigentums kraft Gesetzes nach § 566 Abs. 1 BGB in das Mietverhältnis eingetreten. Der Mieter macht geltend, er habe die Mietsache bei seinem Einzug im Jahr 2004 unrenoviert übernommen. Der Vermieter bestreitet das. Nach Beendigung des Mietverhältnisses klagt der Vermieter auf Erstattung der für Schönheitsreparaturen aufgewandten Kosten. Er beruft sich auf eine Formularklausel im Mietvertrag, wonach der Mieter verpflichtet ist, die laufenden Schönheitsreparaturen fachgerecht vorzunehmen, wenn das Aussehen der Räume mehr als nur unerheblich den Gebrauch beeinträchtigt.

Das Oberlandesgericht Celle ist der Auffassung, dass der Anspruch des Vermieters unbegründet ist, weil die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wohnraummiete ohne jedwede Änderungen auch auf die Gewerberaummiete anwendbar sei. Zwar hat der Bundesgerichtshof bislang ähnlich gelagerte Fälle nur für die Wohnraummiete entschieden. Mit Urteil vom 18.03.2015 (VIII ZR 185/14, NJW 2015, 1594) hat er seine Rechtsprechung dahingehend geändert, dass die formularmäßige Überwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen dann gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei, wenn die Wohnung den Mietern ohne angemessenen Ausgleich nicht renoviert oder renovierungsbedürftig überlassen werde. Ausgangspunkt sei, dass der Mieter auch bei Übernahme einer nicht renovierten oder renovierungsbedürftigen Wohnung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nur zu den auf seine eigene Vertragszeit entfallenden Renovierungsleistungen verpflichtet werden dürfe. Er dürfe zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung – jedenfalls nicht ohne Gewährung eines angemessenen Ausgleichs durch den Vermieter – formularmäßig nicht mit der Beseitigung von Gebrauchsspuren der Wohnung belastet werden, die bereits in einem vorvertraglichen Abnutzungszeitraum entstanden seien. Denn in Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung führe eine solche Klausel, die den Mieter – ohne angemessenen Ausgleich – zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters verpflichte, jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsse als er sie selbst vom Vermieter erhalten habe. Die Verpflichtung des Mieters zur Vornahme während des Mietverhältnisses anfallender Schönheitsreparaturen lasse sich bereits nach dem Wortlaut derartiger Regelungen nicht auf nach Mietbeginn entstehende Abnutzungsspuren beschränken. Denn sie stellten nicht auf den Zeitpunkt der Verursachung, sondern auf den Zeitpunkt der Renovierungsbedürftigkeit ab und schlössen damit den vom Vormieter mitverursachten Renovierungsbedarf ein. Allerdings ist nach Meinung des Bundesgerichtshofs eine solche Vornahmeklausel nicht bereits deshalb unwirksam, wenn sie so formuliert sei, dass sie sowohl auf renoviert als auch auf nicht renoviert oder renovierungsbedürftig überlassene Wohnungen Anwendung finden könne. Zwar erfolge die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB auf der Grundlage einer generalisierenden Betrachtungsweise des Klauselinhalts. Sie dürfe aber den konkreten Vertragsgegenstand nicht außer Acht lassen. Bei der Inhaltskontrolle im Individualprozess sei daher jeweils danach zu unterscheiden, ob der Gegenstand der Renovierungsverpflichtung des Mieters eine bei Vertragsbeginn renovierte oder eine nicht renovierte bzw. renovierungsbedürftige Wohnung sei. Soweit streitig sei, ob der Vermieter den Mieter bei Vertragsbeginn die Wohnung nicht renoviert oder renovierungsbedürftig übergeben habe, bedürfe es tatrichterlicher Feststellungen.

Das Oberlandesgericht Celle entscheidet, dass diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit der formularmäßigen Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen einer dem Mieter unrenoviert übergebenen Wohnung ohne die Gewährung eines angemessenen Ausgleichs auf die Vermietung von Geschäftsräumen zu übertragen ist (vgl. Landgericht Lüneburg, Urteil vom 04.08.2015 – 5 O 553/14 -, NJW 2016, 578; Lützenkirchen, NZM 2016, 113, 116; Schmidt, NJW 2016, 1201, 1204 mit kritischen Anmerkungen; Lindner-Figura/Reuter, NJW 2016, 1059, 1061; Drettmann, NJW 2015, 3694, 3695; Boerner, NZM 2015, 686, 689).

Der für die Wohnungsmiete zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte entschieden (NJW 2004, 2586), dass eine die Schönheitsreparaturen betreffende Formularklausel, die starre Fristen vorsehe, insgesamt unangemessen und unwirksam sei. Dieser Rechtsprechung hat sich der für die Gewerberaummiete zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs angeschlossen (NJW 2008, 3772, 3723) und dies damit begründet, eine Differenzierung zwischen Wohnungsmiete und Gewerbemiete sei nicht geboten, weil der Schutzzweck in Bezug auf starre Fristenregelungen für Schönheitsreparaturen bei gewerblichen Mietverhältnissen nicht grundsätzlich anders zu bewerten sei als bei der Wohnraummiete. Für den Bereich der Schönheitsreparaturen fehle eine Privilegierung des Wohnraummieters. Hieraus folgert das Oberlandesgericht Celle zutreffend, dass auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Wohnungssachen zu Schönheitsreparaturklauseln bei unrenoviert übergebenen Räumen auf die Geschäftsraummiete zu übertragen sei. Folglich ist die Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag unwirksam. Zwar habe der Vermieter, der durch Grundstückserwerb kraft Gesetzes im Laufe des Mietverhältnisses in das Mietverhältnis eintrat, den Prozessvortrag des Mieters bestritten, dieser habe die Räume bei Mietbeginn unrenoviert übernommen. Das Oberlandesgericht Celle führt aber zutreffend aus, dass dieses schlichte Bestreiten des Vermieters prozessual unbeachtlich ist. Der Vermieter hätte sich nämlich bei seinem Rechtsvorgänger informieren können und müssen. Wer durch Grundstückserwerb in das Mietverhältnis eintritt, der kann nicht mit Nichtwissen bestreiten, dass die Wohnung bei Mietbeginn unrenoviert gewesen sei, vielmehr muss sich der Vermieter die erforderlichen Kenntnisse vom früheren Rechtsinhaber (dem früheren Grundstückseigentümer und Vermieter) beschaffen (vgl. Zöller, ZPO, § 138 Rn. 16).

Die Klage des Vermieters auf Erstattung der Kosten der Schönheitsreparaturen war darüber hinaus auch deshalb unbegründet, weil der Vermieter dem Mieter keine Frist zur Durchführung der vom Vermieter als notwendig erachteten Schönheitsreparaturen gesetzt hatte. Da keine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung durch den Mieter erklärt wurde, war eine derartige Fristsetzung nach § 280 Abs. 3 i.V.m. § 281 Abs. 1 S. 1 BGB erforderlich.

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die entscheidende Rechtsfrage anders beantwortet hätte oder dass es ein Oberlandesgericht gibt, das die Rechtslage in einer künftigen Entscheidung anders als das Oberlandesgericht Celle beurteilt wird. Wer also bei der Geschäftsraummiete zu Schönheitsreparaturklauseln argumentieren will, bei der Geschäftsraummiete sei alles anderes als bei der Wohnraummiete, der wird Schiffbruch erleiden. Das war eine Sicht der Dinge, die noch bis Ende des letzten Jahrhunderts vertretbar war, von der modernen Rechtsprechung aber nicht geteilt wird.