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BGH, Urteil vom 10.05.2016 – II ZR 342/14 – “Persönliche Haftung von GmbH-Gesellschaftern


Der Kläger und ein weiterer Gesellschafter waren Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH und beteiligten sich mit Einlagen von je EUR 25.000,00. Im Gesellschaftsvertrag ist vorgesehen, dass die Geschäftsanteile mit Zustimmung der betroffenen Gesellschafter eingezogen werden können. Weiter bestimmt die Satzung, dass mit Zugang des Einziehungsbeschlusses der betroffene Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und die Abfindung in drei gleichen Jahresraten bezahlt wird. Nachdem der weitere Gesellschafter seinen Geschäftsanteil schenkweise zu je einem Viertel auf seine Söhne, nämlich die Beklagten, übertragen hatte, hat die Gesellschafterversammlung mit Zustimmung des Klägers beschlossen, dessen Geschäftsanteil einzuziehen und ihm als Abfindung in drei Jahresraten jeweils EUR 300.000,00 zu zahlen. In einem „Vergleich“ vom selben Tag, an welchem alle Gesellschafter beteiligt waren, wurden weitere Einzelheiten festgelegt. So sollten die Beklagten zu 1 und 2 ihre Geschäftsanteile an den Kläger verpfänden. Der Kläger sollte berechtigt sein, die verpfändeten Geschäftsanteile zu verwerten, wenn die Gesellschaft mit einer Abfindungsrate einen Monat in Verzug geraten würde. Die Einziehung sollte erst mit Zahlung der ersten Rate und der notariell beurkundeten Verpfändung der Geschäftsanteile wirksam werden. Bis zur Zahlung der vollständigen Abfindung sollten keine Gewinnausschüttungen erfolgen und die Geschäftsführergehälter durften nicht mehr als um 20 % erhöht werden.

An den Kläger wurden die ersten beiden Abfindungsraten ausbezahlt, die dritte Rate wurde wegen einer bilanziellen Überschuldung nicht entrichtet. Schließlich wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Daher verlangt der Kläger nunmehr von den Beklagten als Gesamtschuldner die Zahlung dieser dritten Abfindungsrate nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Beklagten zur Zahlung von je EUR 75.000,00 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung dieses Urteils und zur Verweisung an das Berufungsgericht.

Die Einziehung ist wirksam beschlossen worden und zwar mit Zahlung der ersten Rate der Abfindung sowie der notariellen Verpfändung der Geschäftsanteile. Ein solches Vorgehen ist nicht zu beanstanden. Auch wurde eine zur Einziehung erforderliche Gestaltungserklärung abgegeben. Mit dem Wirksamwerden der Einziehung entsteht damit für den betroffenen Gesellschafter ein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Abfindung gegen die Gesellschaft.

Ein Anspruch gegen die Beklagten persönlich wurde nicht durch die Erklärung der Gesellschaft gegenüber dem Kläger herbeigeführt, dass die dritte Rate wegen einer bilanziellen Überschuldung nicht gezahlt werden könne. Die Einziehung ist grundsätzlich unabhängig von der Zahlung einer Abfindung wirksam, da die übrigen Gesellschafter, sollte die Gesellschaft die Abfindung wegen der Sperre aus § 34 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG (hiermit ist das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft gemeint) nicht zahlen können, zur anteiligen Zahlung der Abfindung persönlich verpflichtet sein können. Diese persönliche Haftung entsteht aber weder bereits mit der Fassung des Einziehungsbeschlusses noch allein aufgrund des Umstandes, dass die Gesellschaft später zum Zeitpunkt der Fälligkeit an der Zahlung der Abfindung gehindert ist. Denn maßgeblich für die Begründung der persönlichen Haftung der Gesellschafter ist der Gedanke, dass es der Billigkeit entspricht, diese Gesellschafter persönlich haften zu lassen, wenn sie einerseits auf das zur Kapitalerhaltung erforderliche Vermögen der Gesellschaft verweisen und andererseits aber nicht anderweitig dafür sorgen, dass die Abfindung aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann oder die Gesellschaft fortsetzen anstatt sie aufzulösen. Dies bedeutet, dass die persönliche Haftung der Gesellschafter erst dann entsteht, wenn sie sich treuwidrig im vorbenannten Sinne verhalten. Dies ist erst ab dem Zeitpunkt der Fall, ab dem die Fortsetzung der Gesellschaft unter Verzicht auf Maßnahmen zur Befriedigung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters als treuwidrig anzusehen ist. Eine derartige Treuwidrigkeit ist nicht bereits bei der Entnahme bestimmter Vermögenswerte anzusehen und auch nicht aufgrund einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft, wenn sie die Gesellschaft auflösen und sich damit den Mehrwert des eingezogenen Kapitalanteils nicht einverleiben.

Wenn die vorgenannten Voraussetzungen für die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens vorliegen, haften die Gesellschafter auch dann persönlich, wenn die Einziehung mit der Zustimmung (also nicht zwangsweise) des Gesellschafters erfolgte. Denn der Grund der Haftung, dass die Gesellschafter weiter wirtschaften und sich dabei den Wert des eingezogenen Geschäftsanteils einverleiben, ohne dafür zu sorgen, dass der ausgeschiedene Gesellschafter dafür angemessen entschädigt wird, besteht bei einer Zwangseinziehung genauso wie bei einer freiwilligen Einziehung. Es muss aber feststehen, dass tatsächlich objektiv kein ausreichendes Vermögen für die Abfindungszahlung vorliegt. Dass die Gesellschaft nicht zahlt, obwohl sie nach § 34 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG zahlen dürfte, bedeutet noch nicht, dass die Gesellschafter sich treuwidrig verhalten. Eine Haftung der verbleibenden Gesellschafter entsteht grundsätzlich auch dann nicht zwingend, wenn im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abfindung oder danach über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder die Gesellschaft insolvenzreif wird und die Antragstellung nicht treuwidrig verzögert wird. Denn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt zur Auflösung der Gesellschaft, so dass schon aus diesem Grund eine treuwidrige Fortsetzung der Gesellschaft durch die übrigen Gesellschafter ausscheidet. Nachdem das Berufungsgericht hierzu keine Feststellung getroffen hat, musste das Urteil aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Abfindungszahlung im Falle der Einziehung ist daher an strenge Voraussetzungen gebunden. Wenn der Abfindungsanspruch nicht bezahlt werden kann, heißt dies nicht automatisch, dass der ausgeschiedene Gesellschafter sich an die Gesellschafter halten kann. Vielmehr müssen die übrigen Gesellschafter treuwidrig gehandelt haben, was im Einzelnen festzustellen ist.