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OLG Hamm, Urteil vom 08.06.2017 – 18 U 9/17 Pauschalen für Verwaltungskosten und Kosten der Erhaltungslast können unwirksam sein


Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 08.06.2017 – 18 U 9/17 – Angriffspunkte gegen eine Vielzahl formularmäßiger Mietverträge geschaffen, in denen Klauseln zu Verwaltungskostenpauschalen und Pauschalen für Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung gemeinschaftlich genutzter Flächen und Anlagen enthalten sind. Derartige Pauschalen wurden bislang in der Praxis fast ausnahmslos hingenommen. Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm zeigt aber, dass derartige Klauseln dann unwirksam sein können, wenn die Nebenkostenregelungen des Mietvertrags andere Positionen enthalten, unter denen ebenfalls Verwaltungskosten oder Kosten der Erhaltungslast abgerechnet werden können.

In einem gewerblichen Mietvertrag wurde formularmäßig geregelt, dass der Mieter Nebenkostenvorauszahlungen zu leisten hat. Vereinbart wurde, dass Mietnebenkosten alle Betriebskosten im Sinne der Betriebskostenverordnung sowie die in einer Anlage zum Mietvertrag aufgeführten Positionen und Kostenarten sind. Im Mietvertrag heißt es weiter, soweit danach Wartungen abgerechnet werden können, handele es sich um Systemwartungen, die kleineren Instandhaltungen sowie den Austausch von Klein- und Verschleißteilen. In der Anlage zum Mietvertrag werden im wesentlichen Nebenkosten aufgeführt, die sich an § 2 Betriebskostenverordnung orientieren. Sodann heißt es:

„Die Kosten der Hausverwaltung (unabhängig davon, ob der Vermieter sie selbst vornimmt oder einen Dritten mit dieser Leistung beauftragt) werden pauschal mit 4 % der Jahresnettomiete berechnet und gehören in dieser Höhe zu den umlagefähigen Nebenkosten.“

Zu den Kosten der Erhaltungslast gemeinschaftlicher Flächen und Anlagen wird geregelt:

„Die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung gemeinschaftlicher Flächen, Anlagen und Einrichtungen werden pauschaliert mit 4 % der Jahresgrundmiete angesetzt.“

Das Oberlandesgericht Hamm entscheidet, dass die formularmäßigen Regelungen zu den beiden Pauschalen (Hausverwaltung und Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung) nicht wirksam sind. Die vertragliche Einbeziehung der Umlage dieser beiden Positionen scheitert allerdings nicht bereits an mangelnder Transparenz im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Das wäre der Fall, wenn für den Mieter angesichts der Verweisung auf die Betriebskostenverordnung einerseits und andererseits auf die Anlage zum Mietvertrag nicht eindeutig erkennbar wäre, welche Arten von Betriebskosten von ihm zu tragen sind. Eine solche Situation lässt sich jedoch nicht feststellen. Auch in dem Fall, dass der Text der Betriebskostenverordnung dem Vertrag nicht beigelegt ist, ist allein maßgeblich, dass die Anlage zum Mietvertrag eine komplette Wiedergabe der vom Mieter zu tragenden Betriebskosten enthielt, so dass der Verweisung auf die Betriebskostenverordnung daneben inhaltlich keine eigenständige Bedeutung zukam. Insoweit überrascht es allerdings, dass sich das Oberlandesgericht Hamm mit der Frage auseinandersetzte, ob der bloße Verweis auf die Kosten der Betriebskostenverordnung hinreichend transparent ist, denn nach bislang einhelliger Rechtsprechung genügt es völlig, auf die Betriebskostenverordnung hinzuweisen, ohne deren Text beizufügen. Das Oberlandesgericht Hamm scheint dies aber infrage stellen zu wollen und meint nur im konkreten Fall, das beifügen des Textes der Betriebskostenverordnung sei nicht erforderlich, weil die Anlage zum Mietvertrag eine komplette Wiedergabe der vom Mieter zu tragenden Betriebskosten enthalte.

Das Oberlandesgericht Hamm entscheidet, dass die Regelung in der Anlage betreffend Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung gegen § 305 c Abs. 1 BGB (so genanntes Verbot überraschender Klauseln) verstößt, weshalb die Regelung nicht Vertragsinhalt geworden ist. Wäre dies anders zu beurteilen, scheitert die Regelung im Übrigen an § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil sie unangemessen benachteiligend und daher unwirksam ist. Eine überraschende Klausel wird angenommen, weil in der Anlage zum Mietvertrag, die im wesentlichen einen Katalog abzurechnender Betriebskosten enthält, mit der Regelung zur Pauschale für die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung eine Bestimmung vorgenommen wird, mit der angesichts der im Mietvertrag angelegten Unterscheidung zwischen einer Grundmiete einerseits und Nebenkostenvorauszahlungen andererseits an dieser Stelle nicht zu rechnen gewesen ist. Eine als überraschend einzuordnende Klausel gemäß § 305 c Abs. 1 BGB setzt zum einen voraus, dass sie objektiv bewertet ungewöhnlich ist. Dabei handelt es sich um einen „schlicht auf Basis der Empirie aufsetzenden Befund“. Das Leitbild des dispositiven Rechts dient als Vergleichsmaßstab; fehlt ein solches, ist im Zweifel auf den konkreten Vertragstyp abzuheben. Auch Nebenabreden, um die es sich hier handelt, verstoßen gegen § 305 c Abs. 1 BGB, wenn sie nach der Aufmachung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Gliederung und Systematik nicht an der fraglichen Stelle zu erwarten sind und aus diesem Grunde auch aufmerksame Kunden überraschen und das Vertrauen in die AGB-Ausgestaltung gefährden. Entscheidend für die Feststellung des objektiv ungewöhnlichen Charakters der jeweiligen Klausel im Rahmen des konkreten Vertragstyps ist, ob das Vertrauen des Verkehrs in eine funktionsgerechte Ausgestaltung der AGB und der darauf beruhende Verzicht des Kunden auf eine nähere Kenntnisnahme ihres Inhalts durch Aufnahme der ungewöhnlichen Klausel objektiv missachtet wird. Nach diesen Maßstäben ist eine objektive Ungewöhnlichkeit der hier in der Anlage zum Mietvertrag vorgenommenen Überwälzung pauschalierter Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung jedenfalls aufgrund ihrer Stellung im Vertrags- bzw. Anlagengefüge anzunehmen. Zwar ist es für sich betrachtet nicht überraschend, wenn sich in einem Formularmietvertrag im Rahmen der „Mietnebenkosten“ Regelungen betreffend die „Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten“ finden, weil jedenfalls ein gewerblicher Mieter mit solchen Bestimmungen rechnet und rechnen muss. Ebenso wenig stellt es eine Überraschung dar, wenn eine Pauschalierung solcher Kosten vorgenommen wird. Es ist aber ungewöhnlich, wenn an einer solchen Stelle der vertraglichen Regelungen Pauschalen bezüglich bestimmter Betriebskostenpositionen eingeführt werden, an der ausweislich der Konzeption des Vertrags nur abrechenbare Betriebskosten zu erwarten sind. So verhält es sich hier, denn gemäß dem Mietvertrag setzt sich die Mieter ausschließlich aus Grundmiete einerseits und Mietnebenkostenvorauszahlungen andererseits zusammen. Dieser Differenzierung folgend spricht der Mietvertrag konsequent die Verpflichtung des Mieters aus, auf die Mietnebenkosten Vorauszahlungen zu leisten.

Zum anderen erfordert der Tatbestand des § 305c Abs. 1 BGB ein subjektives Moment der Überraschung – der Überrumpelung – aufgrund der Diskrepanz zwischen der geschützten Kundenerwartung und der konkreten Klausel. Ob von einer Überraschung des Kunden auszugehen ist, entscheidet sich nach einem generellen Maßstab. Danach sind in erster Linie maßgeblich die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge typischerweise zu erwartenden Kundenkreises, wie sie sich aufgrund dessen Geschäftserfahrung und drucktechnischer Ausgestaltung der fraglichen AGB ergeben. Dieser Maßstab kann durch die konkreten Verhältnisse beim Vertragsschluss erweitert werden, wenn angesichts der individuellen Begleitumstände, namentlich der Aussagen des Verwenders, ein Überrumpeln begünstigt wird, und er kann eingeschränkt (bzw. die Überrumpelung ganz ausgeschlossen) werden, indem Hinweise auf die objektiv ungewöhnliche Klausel erfolgen. Auch von einer solchen Überrumpelung des Mieters war hier aufgrund der konkreten Umstände des Falles auszugehen. Das Überraschungsmoment für einen typischen Gewerberaummieter, auf den in diesem Zusammenhang abzustellen ist, folgt daraus, dass er an der betreffenden Stelle mit der Einführung fixer Kosten in Gestalt von Pauschalen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte.

Noch viel bedeutsamer ist das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm wegen der Ausführungen, dass auch dann, wenn der Tatbestand des § 305 c Abs. 1 BGB verneint würde, ein Verstoß gegen das Verbot unangemessener Benachteiligung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) vorläge. Eine unbeschränkte Auferlegung der Erhaltungslast auch bezüglich der gemeinsam genutzten Flächen und Anlagen auf den Mieter stellt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar (BGH NJW-RR 2006, 84). Zwar enthält die Klausel selbst eine Beschränkung auf 4 % der Jahresgrundmiete. Jedoch existiert neben dieser Klausel auch noch eine Regelung, wonach Kosten des Hausmeisters – und zwar unbegrenzt – auch insoweit geltend gemacht werden können, als damit etwaige Instandsetzungstätigkeiten abgegolten werden. Diese Bestimmung wird den Anforderungen des Bundesgerichtshofs (NJW 2013, 41, Rn. 20) nicht gerecht. Danach ist eine Regelung zu den Hausmeisterkosten, die es dem Vermieter ermöglicht, darüber auch einen Teil der Kosten für die Instandsetzung und Instandhaltung von Gemeinschaftsflächen abzuwälzen, nur wirksam, wenn der Mieter insgesamt durch eine Kostenobergrenze gegen die uferlose Übertragung der Erhaltung geschützt ist. Überdies enthält der Mietvertrag zum Thema Instandsetzungskosten noch weitere den Mieter belastende Regelungen, nämlich zum einen betreffend Systemwartungen, und zwar einschließlich kleinerer Instandhaltungen sowie des Austauschs von Klein- und Verschleißteilen anlässlich des Wartungstermins. Zum anderen waren dem Mieter sämtliche Instandhaltungs- und Instandsetzungslasten des Mietobjekts selbst übertragen. Bei dieser Sachlage tritt zulasten des Mieters ein sogenannter Summierungseffekt ein, der auch die für sich betrachtet zulässige Pauschalierung der Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten erfasst. Denn der Mieter wird mit einem potentiell unbegrenzten, überdies teilweise doppelt berücksichtigungsfähigen Aufwand für die Instandhaltung und/oder Instandsetzung außerhalb des eigentlichen Mietobjekts liegender Flächen und Anlagen belastet, und zwar entgegen der gesetzlichen Konzeption, nach der der Vermieter für die Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache einzustehen hat.

Betreffen mehrere Klauseln denselben Regelungsgegenstand und führen sie solchermaßen zu einer den Vertragspartner des Verwenders unangemessenen Belastung, sind sie insgesamt unwirksam (Blank/Börstinghaus, Miete, 5. Aufl., § 535 Rn. 117; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB Recht, 12. Aufl., § 307 Rn. 155; für Schönheitsreparaturklauseln z.B. BGH, NJW 2003, 2234). Diesem Ergebnis steht weder die Regelung in § 306 Abs. 1 BGB noch die im Mietvertrag enthaltene salvatorische Klausel entgegen, weil deren Berücksichtigung gegen das Verständlichkeitsgebot verstieße (z. B. BGH NJW 1993, 1061).

Auch die Kosten der Hausverwaltung (Verwaltungskosten) können nicht gegen die Beklagte geltend gemacht werden. Die Einbeziehung dieser Klausel, die eine Pauschale der von dem Mieter zu tragenden Kosten für die Hausverwaltung i.H.v. 4 % der Jahresnettomiete vorsieht, scheitert ebenfalls an § 305c Abs. 1 BGB, weil es sich um eine aufgrund ihrer Stellung im Regelungsgefüge des Vertrags und der Anlage überraschende Klausel handelt.

Für die Praxis viel wichtiger ist die Hilfserwägung des Oberlandesgerichts, dass die Klausel zur Verwaltungskostenpauschale auch eine intransparente und für den Mieter unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB darstellt. Wie der Bundesgerichtshof unter anderem in seinem Urteil NJW 2016, 1575 dargelegt hat, verpflichtet das Transparenzgebot den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen, wozu nicht nur gehört, dass die einzelne Regelung für sich genommen klar formuliert ist. Vielmehr muss die Regelung auch im Kontext mit den übrigen Regelungen des Klauselwerks verständlich sein. Erforderlich ist ferner, dass zusammengehörende Regelungen im Zusammenhang aufgeführt werden oder der Zusammenhang in anderer Weise, etwa durch Bezugnahme auf konkrete Klauseln, deutlich gemacht wird. Eine Vertragsgestaltung, die objektiv dazu geeignet ist, den Vertragspartner bezüglich seiner Rechtsstellung irrezuführen, verstößt danach gegen das Transparenzgebot. Anders als in den vom Bundesgerichtshof bisher entschiedenen Fällen steht dem Klauselverwender hier die Möglichkeit offen, Verwaltungskosten, soweit sie durch die Tätigkeit des bzw. der Hausmeister entstehen, doppelt geltend zu machen, und zwar zum einen über die umzulegenden und abzurechnenden Kosten des Hausmeisters und zum anderen über die pauschalierten Verwaltungskosten. Der Mieter könnte sich demgegenüber auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass solchermaßen Verwaltungskosten doppelt vergütet werden müssen. Denn es bestünde keine Handhabe, diese Verwaltungskosten aus den Kosten des Hausmeisters herauszurechnen, weil dies ausdrücklich nicht geschehen soll. Auch die Pauschale als solche ist keiner Kürzung zugänglich. Diese Rechtslage tritt im vorliegenden Fall nicht hinreichend deutlich zu Tage, und zwar schon deshalb nicht, weil die Pauschalierung der Verwaltungskosten als solche für die Beklagte, wie dargelegt, nicht zu erwarten war. Diese vertragliche Situation unterscheidet sich von denjenigen, die der Bundesgerichtshof bislang zu entscheiden hatte. Dort handelte sich jeweils um abzurechnende Nebenkostenpositionen, bei denen der Mieter die Möglichkeit, im Rahmen der Abrechnung eine Doppelberücksichtigung geltend zu machen, nicht versagt war.