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KG Berlin, Urteil vom 18.07.2016 – 8 U 234/14 – “Nutzungsentschädigung nach Ausübung des Vermieterpfandrechts


Das Kammergericht Berlin hatte mit Urteil vom 18.07.2016 – 8 U 234/14 – einen in der Praxis nicht selten vorkommenden, ziemlich „verzwickten“ Sachverhalt zu beurteilen. Der Mieter von Gewerberäumen war mit Zahlungen in Rückstand geraten, die eine fristlose Kündigung des Vermieters rechtfertigten. Der Mieter war rechtskräftig zur Räumung und Herausgabe verurteilt worden. Nach Zustellung der Räumungsklage gab er einen Schlüssel der Mietsache heraus, die übrigen Schlüssel behielt der Mieter aber, weil er noch das Inventar aus den Räumen entfernen wollte. Der Vermieter machte aber sein Vermieterpfandrecht an dem Inventar (Registrierkasse, Getränkekühlschrank, Grillplatte mit Unterbau, Gasherd, Hähnchengrill, Kühltheke, Grillstation u. a.) geltend. Der Vermieter hatte nicht aus dem Räumungsurteil vollstreckt. Nachdem der Mieter sämtliche Schlüssel herausgegeben hatte, klagte der Vermieter auf Nutzungsentschädigung in Höhe der vertraglich vereinbarten Miete bis zum Zeitpunkt der Herausgabe sämtlicher Schlüssel. Die Klage war im Wesentlichen erfolgreich. Der Mieter wurde zur Zahlung verurteilt, allerdings nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Inventars.

Das Mietverhältnis endete mit Zugang der fristlosen Kündigung. Damit entfällt der Anspruch des Vermieters auf die Miete. Gibt der Mieter die Mietsache aber nach Zugang der wirksamen fristlosen Kündigung nicht zurück, so kann der Vermieter nach § 546 a Abs. 1 BGB für die Dauer der Vorenthaltung (also bis zur Räumung und Herausgabe) als Entschädigung die vereinbarte Miete oder die Miete verlangen, die für vergleichbare Mietsachen ortsüblich ist. Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546 a BGB setzt voraus, dass der Mieter dem Vermieter die Mietsache vorenthält. Dies setzt wiederum einen Rücknahmewillen des Vermieters voraus. Hierfür reicht der grundsätzliche Rückerlangungswille des Vermieters aus. Der Umstand, dass der Vermieter nicht die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsurteil betrieben hat, steht dem Anspruch auf Nutzungsentschädigung nicht entgegen. Allein dem Zuwarten des Vermieters mit der Räumungsvollstreckung kann nicht entnommen werden, dass er die Rückgabe nicht mehr ernsthaft wünschte. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Vermieter eine Nutzung der Räume beabsichtigt hat. Denn ein Nutzungswillen ist neben dem generellen Rückerlangungswillen nicht erforderlich, da es im Verhältnis zum bisherigen Mieter die freie Entscheidung des Vermieters ist, wie er im Falle der Rückgabe mit der Mietsache verfährt oder verfahren würde (so auch OLG München, Urteil vom 02.04.1993 – 21 U 4750/92). Auch steht die Geltendmachung des Vermieterpfandrechts an dem Inventar der Räume dem Anspruch des Vermieters auf Nutzungsentschädigung nicht entgegen. Die Ausübung des Vermieterpfandrechts hindert nämlich lediglich die vollständige Räumung der Mietsache durch den Mieter, lässt also die Räumungspflicht entfallen (so Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, § 546 Rn. 40; Münchener Kommentar/Bieber, BGB, § 546 BGB, Rn. 8), ändert aber nichts an der Verpflichtung des Mieters, die Mietsache an den Vermieter herauszugeben (so Kammergericht Berlin, Beschluss vom 06.12.2012 – 8 U 220/12). Vorliegend war eine Herausgabe der Räume durch den Mieter noch nicht erfolgt, da er nicht alle Schlüssel zu den Mieträumen an den Vermieter herausgegeben hat. Eine Herausgabe setzt aber grundsätzlich voraus, dass sämtliche Schlüssel zu den Mieträumen abgegeben werden (OLG Hamm, Urteil vom 26.06.2002 – 30 U 29/02 und Streyl, a. a. O., § 546 Rn. 28 sowie Palandt, BGB, § 546 Rn. 4). Zwar steht auch der Einbehalt eines Schlüssels einer Herausgabe nicht entgegen, wenn aus der Rückgabe der übrigen Schlüssel der Wille des Mieters zur vollständigen und endgültigen Besitzaufgabe unzweideutig hervortritt (BGH, Urteil vom 19.11.2003 – XII ZR 68/00). Dies war aber vorliegend nicht der Fall. Denn der Mieter hat den Schlüssel zurückbehalten, weil er das Inventar noch aus den Räumen entfernen wollte. Der Mieter hat dem Vermieter daher nur einen Mitbesitz an den Räumen eingeräumt, indem er (nur) einen Schlüssel zurückgab. Damit lag eine Besitzaufgabe gerade nicht vor. Für den Willen zur Besitzaufgabe des Mieters ist insoweit unerheblich, ob das Vermieterpfandrecht an dem Inventar tatsächlich bestand. Zwar kann eine dauerhafte Besitzentziehung, die den Anspruch auf Nutzungsentschädigung entfallen lässt, auch dann vorliegen, wenn der Vermieter dem Mieter den Zugang zu den Mieträumen verweigert und dieses Verbot auch tatsächlich umgesetzt wird. Dies war in dem streitgegenständlichen Sachverhalt aber nicht der Fall. Dem Mieter wurde lediglich die Wegnahme des Inventars verweigert. Der Zugang zu den Mieträumen wurde jedoch nicht untersagt.

Dem Anspruch auf Nutzungsentschädigung stand auch nicht entgegen, dass der Mieter die Rückgabe der Mietsache unter Entfernung des Inventars anbot. Richtig ist zwar, dass dem Vermieter keine Nutzungsentschädigung zusteht, wenn er sich im Annahmeverzug der Rückgabe befindet (Palandt, § 546 a Rn. 9 und OLG Köln, Urteil vom 27.11. 1992 – 19 U 114/92 – sowie OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2002 – 24 U 133/01). Vorliegend trat aber kein Annahmeverzug ein, weil der Mieter mit dem Angebot, die Mietsache unter Entfernung des Inventars herauszugeben, die Herausgabe nicht so angeboten hat, wie sie zu bewirken war (§ 294 BGB), denn der Vermieter hatte ein Vermieterpfandrecht an dem in den Mieträumen befindlichen Inventar des Mieters geltend gemacht und dieses Vermieterpfandrecht stand dem Vermieter gemäß § 562 BGB auch zu, so dass der Vermieter nach § 562 b Abs. 1 BGB die Entfernung der Sachen verhindern durfte. Ob sich der Vermieter hierbei ausdrücklich auf sein Vermieterpfandrecht berufen hat, war unerheblich. Es genügt nämlich jede Meinungsäußerung oder Handlung, aus der sich für den Mieter erkennbar ergibt, dass der Vermieter nicht mit der Entfernung der Sachen einverstanden ist. Ohne Erfolg wandte der Mieter auch eine, der angebliche Wert der Sachen von etwa EUR 80.000,00 habe die Forderungen des Vermieters von knapp EUR 20.000,00 so deutlich überschritten, dass eine Übersicherung vorgelegen habe. Dieser Argumentation folgt das Kammergericht nicht und meint, für die Anwendung des Übermaßverbotes des § 803 Abs. 1 S. 2 ZPO (die Zwangsvollstreckung darf nicht weiter ausgedehnt werden, als es zur Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung erforderlich ist) sei kein Raum, weil § 562 a S. 2 2. Halbsatz BGB eine spezielle Regelung enthält (Palandt, § 562 Rn. 17). Danach kann der Vermieter aber nur dann der Entfernung von Gegenständen nicht widersprechen, wenn die zurückbleibenden Sachen zur Sicherung des Vermieters offenbar ausreichen. „Offenbar“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es auch ohne genauere Prüfung für den Vermieter offensichtlich klar sein muss, dass die zurückbleibenden Sachen zu seiner Sicherung genügen (Palandt, § 562 a Rn. 10). Die zu sichernden Forderungen des Vermieters waren gemäß § 562 Abs. 2 BGB die Nutzungsentschädigungen für die zurückliegende Zeit, die sich auf knapp EUR 20.000 beliefen. Dass es für den Vermieter ohne weiteres ersichtlich gewesen wäre, dass der Wert des Inventars diese Summe übersteigt, ergab sich aus dem Vortrag des Mieters jedoch nicht. Ferner handelt es sich um eine Einrede des Mieters, mit der er den Vermieter auf bestimmte, zur Sicherung ausreichende Sachen verweist. Dies erfordert eine Konkretisierung durch den Mieter dahin, welche Sachen er entfernen und welche er zurücklassen will. Eine solche Konkretisierung durch den Mieter ist in der vom Kammergericht entschiedenen Sache aber nicht erfolgt.

Im Mietvertrag war geregelt, dass der Mieter berechtigt ist, einen Nachmieter zu stellen und dass er in diesem Falle aus dem Mietverhältnis zu entlassen ist. Das Kammergericht entscheidet, dass der Anspruch des Vermieters auf Zahlung der Nutzungsentschädigung auch nicht dadurch entfallen ist, dass der Vermieter den Mieter nicht wegen der Stellung eines Nachmieters aus dem Mietverhältnis entlassen hat, obgleich dieser vor Zugang der fristlosen Kündigung, als aber bereits ein Zahlungsrückstand von zwei Monatsmieten bestand, einen Ersatzmieter angeboten hatte. Wenn ein Vermieter einen vom Mieter benannten Ersatzmieter vertragswidrig ablehnt, ist der Mieter ab diesem Zeitpunkt so zu stellen, als ob er aus dem Mietverhältnis entlassen worden wäre (so Schmidt-Futterer-Blank, nach § 542 Rn. 34 und Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, II Rn. 2586). In der vom Kammergericht zu beurteilenden Angelegenheit hatte der Vermieter aber eine Pflicht zur Zustimmung nicht verletzt. Die Verpflichtung, einen Nachmieter zu akzeptieren, entfiel nämlich deshalb, weil der Mieter mit der Zahlung des Mietzinses in einer Höhe in Verzug war, die eine fristlose Kündigung rechtfertigte. Deshalb war der Vermieter nach Treu und Glauben nicht verpflichtet, einen Ersatzmieter zu akzeptieren. Zwar gibt es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass nur derjenige Rechte geltend machen kann, der sich selbst rechtstreu verhält. Rechtsverletzungen führen nur ausnahmsweise zu einem Wegfall eigener Ansprüche (so Palandt, § 242 Rn. 46). Vielmehr muss durch eine umfassende Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls entschieden werden, ob und inwieweit einem Beteiligten die Ausübung einer Rechtsposition nach Treu und Glauben verwehrt sein soll (BGH, Urteil vom 28.10.2009 – IV ZR 140/08). So lag der Fall nach Meinung des Kammergerichts hier. Der Mieter hat mit der Nichtzahlung des Mietzinses seine Hauptpflicht aus dem Mietvertrag verletzt. Zum Zeitpunkt der endgültigen Ablehnung des Nachmieters befand sich der Mieter mit zwei Monatsmieten in Verzug. Es lag mithin ein Zahlungsrückstand in einer Höhe vor, die nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages darstellt. Nach der Wertung des Gesetzgebers handelt es sich hierbei somit um eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung des Mieters aus dem Mietvertrag. Das Interesse des Mieters an der Zustimmung zu dem Mieterwechsel lag darin, nicht mehr primär für die Mietzahlungspflicht zu haften, da er die Mieträume selbst nicht mehr nutzen wollte und damit auch selber keinen Ertrag aus der Nutzung der Mieträume mehr erzielen würde. Dieses Interesse ist aber vor dem Hintergrund der eigenen Pflichtverletzung des Mieters nicht schutzwürdig. Nachdem aufgrund des Verzuges des Mieters mit Mieten in einer Höhe, die eine fristlose Kündigung rechtfertigten, ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Mietvertrags vorlag, wäre es daher nach Auffassung des Kammergerichts mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, den Vermieter durch Eintritt des Nachmieters in den Mietvertrag an der Fortführung des Mietvertrages festzuhalten, obwohl dieser fristlos kündbar war. Im Übrigen stand dem Vermieter aufgrund des Zahlungsverzugs des Mieters ein Zurückbehaltungsrecht an der Zustimmung zu dem Mieterwechsel nach § 273 BGB zu, das der Vermieter auch konkludent geltend gemacht hat. Insoweit ist von Bedeutung, dass Zurückbehaltungsrechte nur dann Wirkung entfalten, wenn sie nicht nur bestehen, sondern auch geltend gemacht werden. Der Berechtigte muss sich also auf das Zurückbehaltungsrecht berufen. Das war vorliegend geschehen. Somit konnte der Vermieter die Zustimmung zu einem Mieterwechsel verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird, also die rückständigen Mieten bezahlt werden. Ohne Erfolg war darüber hinaus die Argumentation des Mieters, er sei aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten zur Zahlung nicht in der Lage gewesen. Die Zahlungsfähigkeit ist rechtlich ohne Bedeutung. Denn der Mieter trägt grundsätzlich das Verwendungsrisiko und bleibt auch dann zur Mietzahlung verpflichtet, wenn er die Räume nicht nutzen kann oder will. Ferner gilt der allgemein (abgesehen von einigen Insolvenzverwaltern, das ist aber ein Sonderfall vergleichbar dem Linksaußen im Fußball) anerkannte Rechtsgrundsatz, dass dem Mieter bei Geldschulden das Beschaffungsrisiko obliegt und er für seine finanzielle Leistungsfähigkeit verschuldensunabhängig einzustehen hat, auch für die Miete (Schmidt-Futterer-Blank, § 543 Rn. 96). Diese Grundsätze sind Bestandteil des allgemeinen Wertungssystems des Zivilrechts, wie es in § 537 Abs. 1 BGB und in § 276 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommt. Den Mieter hieran festzuhalten kann daher grundsätzlich nicht gegen die Gebote von Treu und Glauben verstoßen.

Dem Mieter stand gegenüber der Zahlungsforderung des Vermieters aber ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB aufgrund seines Anspruchs auf Rückgabe von Inventar zu. Insoweit war der Mieter gemäß § 274 Abs. 1 BGB nur Zug um Zug gegen Herausgabe der betreffenden Gegenstände zur Zahlung zu verurteilen. Dem Zurückbehaltungsrecht des Vermieters stand nicht entgegen, dass der Vermieter an dem Inventar des Mieters sein Vermieterpfandrecht geltend gemacht hat. Gemäß § 1223 Abs. 2 BGB kann der Verpfänder die Rückgabe des Pfandes Zug um Zug gegen Befriedigung des Gläubigers verlangen (so Sörgel/Habersack, BGB, § 1223 Rn. 8). § 1223 BGB ist gemäß § 1257 BGB auf das Vermieterpfandrecht entsprechend anwendbar. Zwar ist der Pfandgläubiger nach § 1223 Abs. 1 BGB erst nach dem Erlöschen des Pfandrechts zur Rückgabe des Pfandes verpflichtet. Eine Vorleistungspflicht des Schuldners folgt hieraus aber nicht. Das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB setzt nicht voraus, dass der Gegenanspruch schon vor Leistung des Schuldners besteht und fällig ist. Es genügt vielmehr, wenn der Gegenanspruch mit der Erbringung der geschuldeten Leistung entsteht und fällig wird (BGH, Urteil vom 14.02.1979 – VIII ZR 284/78 und Palandt, § 273 Rn. 7).