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KG Berlin, Urteil vom 21.11.2016 – 8 U 121/15– “Minderung der Miete bei verzögerter Eröffnung eines Einkaufszentrums


Das Kammergericht Berlin hat am 21.11.2016 ein Urteil verkündet (8 U 121/15), das die Rechte des Mieters bei verzögerter Eröffnung eines neu zu errichtenden Einkaufszentrums betrifft. Das Einkaufszentrum konnte zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht eröffnet werden, weil es Probleme mit dem Brandschutz gab. Mietsache waren Räume, die zum Betrieb einer hochwertigen Kunstgalerie vermietet wurden. Die Übergabe erfolgte am 21.02.2014. Das Einkaufszentrum ist erst am 27.08.2014 eröffnet worden. Der Mieter klagte auf Rückzahlung der für die Zeit vom 21.02.2014 bis 27.08.2014 gezahlten Miete. Die Klage war hinsichtlich der Miete für die Zeit ab dem 22.03.2014 bis zum 27.08.2014 erfolgreich. Hinsichtlich der Miete, die für die Zeit vom 21.02.2014 bis 21.03.2014 zurückgefordert wurde, ist die Klage abgewiesen worden.

Der Mietvertrag enthält in Teil B Ziff. 4 folgende Regelungen:

4. Übergabe/Geschäftseröffnung/Vertragsstrafen

4.1   Vom Vermieter wird das Mietobjekt gemäß Ziff. 5 Teil A des Vertrages übergeben, soweit nicht in diesem Vertrag ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Unwesentliche Änderungen sowie Änderungen aufgrund behördlicher Auflagen behält sich der Vermieter vor. Alle vom Mieter gewünschten oder für die von ihm beabsichtigte Nutzung erforderlichen baulichen und sonstigen Leistungen, insbesondere soweit sie über den Zustand bei Übergabe des Mietobjekts hinausgehen oder davon abweichen, sind vom Mieter zu seinen Lasten zu veranlassen. Gleiches gilt für den Einbau behördlich geförderter oder für Betrieb oder Ausstattung des Mietobjekts erforderlich werdende technische Sondereinrichtungen z.B. Klimatisierung, Fettabscheider usw. Deren Einbau sowie etwaige spätere bauliche Veränderungen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Vermieters.

4.2   Der Tag der Übergabe des Mietobjekts wird vom Vermieter möglichst sechs Monate vorher annähernd angegeben und 28 Tage vorher für beide Teile verbindlich mitgeteilt. Nimmt der Mieter am Übergabetermin weder persönlich noch durch einen Bevollmächtigten teil, gilt das Mietobjekt als zu diesem Zeitpunkt an den Mieter übergeben.

Bei Neueröffnung des Geschäftszentrums (im Ganzen oder von Teilen) wird der Vermieter den Termin der Eröffnung für beide Teile verbindlich festlegen und dem Mieter einen Monat vorher mitteilen.

4.3   Der Anspruch des Mieters auf Übergabe des Mietobjekts entsteht erst nach Leistung der Mietsicherheit gemäß Ziff. 6, Teil B.

4.4   Anlässlich der Übergabe wird ein Übergabeprotokoll erstellt, in welches aufzunehmen ist, welche Mängel des Mietobjekts der Mieter vorbringt. Der Vermieter wird festgestellte und von ihm anerkannte Mängel möglichst bis zur Eröffnung des Mietobjekts beseitigen lassen.

Der Mieter wird dem Vermieter Gelegenheit zur Durchführung der Beseitigungsarbeiten geben. Ziff. 10, Teil B gilt entsprechend. Mängel, die den Betrieb nicht wesentlich beeinträchtigen, berechtigen den Mieter nicht zur Verweigerung der Übernahme.

Verzögerungen in der Fertigstellung der Gewerke außerhalb des Mietobjekts geben dem Mieter kein Recht, die Übergabe abzulehnen, die Minderung des Mietzinses vorzunehmen oder Schadensersatz zu verlangen, es sei denn, sie beeinträchtigen den Betrieb des Mietobjekts wesentlich.

4.5   Der Mieter wird sein Geschäft spätestens einen Monat nach Übergabe des Mietobjekts gemäß Ziff. 4.4, Teil B eröffnen. Findet für das Geschäftszentrum oder für dessen Teile, in denen das Mietobjekt liegt, eine gemeinsame Eröffnung statt, so hat die Geschäftseröffnung des Mieters zum Zeitpunkt dieser Eröffnung zu erfolgen.

Ist der Mieter mit der Eröffnung seines Geschäfts in Verzug oder kommt er trotz Abmahnung schuldhaft seiner Betreiberverpflichtung nach Ziff. 6, Teil C nicht nach, hat der Vermieter Anspruch auf eine Vertragsstrafe in Höhe von einem Zehntel der Monatsmiete (zuzüglich Mehrwertsteuer, ohne Betriebskosten) für jeden Tag, an dem der Mieter sein Geschäft nicht betreibt.

Hält der Mieter trotz Abmahnung schuldhaft die Öffnungszeiten nach Ziff. 1, Teil C nicht ein, hat der Vermieter einen Anspruch auf eine Vertragsstrafe von einem Zwanzigstel der Monatsmiete (zuzüglich Mehrwertsteuer, ohne Betriebskosten) je Tag der Zuwiderhandlung.

Das Kammergericht Berlin entscheidet, dass dem Mieter für den ersten Monat nach der Übergabe kein Recht zusteht, die Miete zu mindern. Zwar wurde die Mietfläche nach Teil B Ziff. 4.6 vom Vermieter ohne Innenausbau (Malerarbeiten, Elektrik, Beleuchtung) übergeben. Den Innenausbau sollte der Mieter auf seine Kosten selbst durchführen. Nach Teil B Ziff. 4.5 war der Mieter verpflichtet, sein Geschäft spätestens einen Monat nach Übergabe des Mietobjektes gemäß Teil B Ziff. 4.4 zu eröffnen. Dies hatte nur zur Folge, dass der Mieter in diesem Zeitraum die Mietsache noch nicht für den eigentlichen Vertragszweck, nämlich das Betreiben der Galerie, nutzen konnte, sondern vertragsgemäß nur für den notwendigen Eigenausbau. Der Umstand, dass das Einkaufszentrum während des ersten Monats nach der Übergabe nicht eröffnet war, hatte somit keine Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs (Nutzung für den Eigenausbau) zur Folge. Somit war die Miete während des ersten Monats nach der Übergabe nicht gemindert.

Für die Zeit ab Ablauf des ersten Monats nach der Übergabe bis zur Eröffnung des Einkaufszentrums war die Miete jedoch auf Null gemindert. Gemäß § 535 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Vermieter dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Vertraglich geschuldete Sollbeschaffenheit der Mietsache ist danach ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch, wobei insbesondere ihre Eignung zu dem vertraglich vereinbarten Verwendungszweck gehört (BGH NJW 1982, 696; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, III. B, Rn. 2785; Palandt, BGB, § 535 Rn. 17). Ausgangspunkt bei der Prüfung der Frage des Mangels muss in jedem Fall sein, worin nach den Abreden der Parteien der vertragsgemäße Gebrauch des Mieters besteht. Dieser kann sich z.B. im Bereich der Geschäftsraummiete auf den vorgesehenen Geschäftsbetrieb konzentrieren, so dass die Mietsache von ihrer Substanz und ihrem Ausstattungsgrad her bestimmten Anforderungen des Mieters entsprechen muss (BGH NJW-RR 2006, 1157; Bub/Treier, a. a. O., III. B, Rn. 2785). Dabei ist ein Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB jede nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands von dem vertraglich vereinbarten Zustand, der ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt oder aufhebt (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, beispielsweise Urteil vom 15.12.2010 – XII ZR 132/09, NJW 2011, 149 Tz. 12). Danach liegen die Voraussetzungen für eine Minderung der Miete hier ab einem Monat nach Übergabe des Mietobjekts zum Ausbau, nämlich ab dem 22.03.2014 vor. Der vereinbarte vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache besteht darin, dass der Mieter auf der angemieteten Fläche des Einkaufszentrums eine Kunstgalerie betreiben kann. Dies setzt naturgemäß voraus, dass das Einkaufszentrum für den Publikumsverkehr geöffnet ist und freier Zugang zu den Mieträumen besteht. Befindet sich das Ladengeschäft wie hier in einem Einkaufszentrum, schuldet der Vermieter die Eröffnung des Geschäftszentrums und die allgemeine Zugänglichkeit des Ladengeschäfts über die Ladenpassage während der vertraglich vorgesehenen Öffnungszeiten. Die Eröffnung bzw. Teileröffnung des Einkaufszentrums und die nur dadurch gegebene Möglichkeit der Zugänglichkeit des Mietobjekts für den Kundenverkehr ist Voraussetzung für eine vertragsgemäße Nutzung (OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.09.2011 – I – 24 U 4/11, MDR 2012, 140 Tz. 5 für fehlende Zugangsmöglichkeit zum Mietobjekt; KG Berlin Urteil vom 12.11.2007 – 8 U 194/06 für Zugangsversperrung eines Ladenlokals infolge Baumaßnahmen). Soweit der Vermieter geltend macht, das sich dem Mietvertrag nicht entnehmen lasse, dass der Vermieter die Eröffnung des Geschäftszentrums binnen vier Wochen nach Übergabe schulde, kommt es hierauf für die Entscheidung nicht maßgeblich an. Bereits aus dem dargestellten Vertragszweck als Galerie zum Ausstellen und Vertreiben von Kunstwerken ergibt sich, ohne dass es einer ausdrücklichen Regelung bedurfte, dass die vertragsgemäße Gebrauchstauglichkeit der Mieträume nur dann vorliegt, wenn das Einkaufszentrum eröffnet ist und seinen Geschäftsbetrieb aufgenommen hat. Etwas anderes ergibt sich aus den vorstehend zitierten Regelungen zur Übergabe des Mietobjekts und der von dem Mieter übernommenen Verpflichtung zur Herrichtung des Mietobjekts für seine Zwecke, deren Auslegung sich an den allgemeinen Grundsätzen des Mietrechts unter Wahrung des allgemeinen Äquivalenzprinzips zu orientieren hat, nur für eine Ausbauzeit von einem Monat. Zwar ergibt sich aus Teil B Ziff. 4.5 des Mietvertrags auch, dass das Einkaufszentrum noch nicht notwendig bei Übergabe eröffnet sein musste. Auch ist hier in Absatz 1 Satz 1 geregelt, dass der Mieter im Fall einer gemeinsamen Eröffnung des Geschäftszentrums oder Teilen davon ebenfalls zu diesem Termin zu eröffnen hat. Dies bedeutet aber nicht, dass der vertragsgemäße Gebrauch erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Eröffnung des Geschäftszentrums zu gewähren wäre. Dies lässt sich mit den übrigen Regelungen, insbesondere mit der Verpflichtung des Mieters, „sein Geschäft spätestens einen Monat nach Übergabe des Mietobjekts“ eröffnen zu müssen, nicht in Einklang bringen. Der Vermieter hat sich seinerseits eine Reihe von Rechten ausbedungen, die an einen Verstoß gegen die Pflicht des Mieters zur Geschäftseröffnung binnen eines Monats nach Übergabe geknüpft sind. So kann der Vermieter nach Ziff. 3.3.5 das Mietverhältnis in diesem Falle außerordentlich kündigen. Nach Teil B Ziff. 4.5 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 2 ist der Mieter zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet, wenn der Mieter mit der Eröffnung seines Geschäfts in Verzug ist. Nach diesen vertraglichen Regelungen verlangt der Vermieter eine Eröffnung des Geschäfts einen Monat nach Übergabe an den Mieter. Dies setzt voraus, dass das Einkaufszentrum auch eröffnet (oder zumindest teileröffnet) ist. Dem Mieter eine Mietzahlungspflicht aber auch dann aufzuerlegen, wenn er wegen fehlender Fertigstellung und Eröffnung des Einkaufszentrums sein Geschäft nicht eröffnen kann und hier auch keine Verkaufstätigkeit mit Einnahmen entfalten konnte, würde gegen den im Mietrecht wesentlichen Grundgedanken der Wahrung des Äquivalenzprinzips verstoßen. Dies umso mehr als der Mieter selbst keinen Einfluss auf die Fertigstellung und Eröffnung des Geschäftszentrums nehmen kann.

Vergeblich machte der Vermieter geltend, eine Minderung sei gemäß § 536 b Satz 3 BGB wegen vorbehaltloser Annahme der Mietsache trotz Kenntnis des Mangels ausgeschlossen. Aus Teil B Ziff. 4.5 des Mietvertrags ergibt sich, dass das Einkaufszentrum nicht notwendig bei Übergabe eröffnet sein musste. Der Mieter konnte daher bei Übergabe der Mietsache davon ausgehen, dass dies binnen einem Monat geschieht und musste sich daher Rechte nicht vorbehalten. Unbegründet war auch der Einwand des Vermieters, der Anspruch auf Rückforderung der Miete sei wegen § 814 BGB ausgeschlossen, weil der Mieter die Miete in Kenntnis der Nichtschuld aufgrund der Mangelhaftigkeit gezahlt habe. Nach § 814 BGB kann das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet ist. Die Norm beruht auf dem Gedanken der Unzulässigkeit widersprüchlichen Verhaltens. Sie will den Leistenden benachteiligen, während der Empfänger darauf vertrauen darf, dass er eine Leistung, die bewusst zur Erfüllung einer nicht bestehenden Verbindlichkeit erbracht worden ist, behalten darf (BGH NJW 1997, 2381; BGH NJW 2009, 363 Tz. 15). Der Ausschluss der Rückforderung setzt neben der objektiv nicht bestehenden Leistungspflicht im Zeitpunkt der Leistung (BGH NJW 2008, 1878 Tz. 15) Kenntnis des Leistenden nicht nur der Tatumstände voraus, aus denen sich ergibt, dass er nicht verpflichtet ist, sondern auch, dass er weiß, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet (BGH NJW 1991, 2381; BGH WM 1973, 146 Tz. 33). Die Rechtskenntnis, dass ein Sachmangel kraft Gesetzes zur Minderung der Mietforderung führt (§ 536 BGB) ist allerdings in den üblichen Kreisen von Mietern im Wege des Anscheinsbeweises regelmäßig anzunehmen (BGH NJW 2003, 2601; Kammergericht MDR 2013, 396; Palandt, § 814 Rn. 11). Es kann für die Entscheidung aber dahingestellt bleiben, ob der Mieter Kenntnis vom Mietmangel hatte und ab wann diese angenommen werden könnte. Jedenfalls steht einer etwaigen schädlichen Rechtskenntnis im Sinne von § 814 BGB vorliegend die Klausel in Teil B Ziff. 5.6.4 des Mietvertrages entgegen. Teil B Ziff. 5.6.4 regelt, dass der Mieter gegenüber den Mietzins- oder sonstigen Forderungen des Vermieters kein Minderungsrecht ausüben kann. Nach dieser Klausel ist eine Beschränkung des Minderungsrechts des Mieters in der Form vorgesehen, dass ihm nur der Abzug von der Mietzahlung versagt und er wegen des Minderungsrechts auf einen Rückforderungsanspruch nach § 812 BGB verwiesen wird. Eine solche Klausel stellt im Gewerberaummietrecht keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB dar (BGHZ 91, 376; BGH NJW 2008, 2497). Das heißt also, dass der Mieter zunächst zur Zahlung der Miete – ungeachtet eines Minderungsanspruchs – vertraglich verpflichtet war. § 814 BGB setzt aber das Nichtbestehen einer Leistungspflicht im Zeitpunkt der Leistung voraus. Eine Klausel, die den Mieter ungeachtet der Mängel zunächst zur vollen Mietzahlung verpflichtet, führt jedoch zu einer Leistungspflicht. Dem Vermieter steht ungeachtet der späteren Klärung der Minderungsfrage zunächst ein (wenn auch vorläufiger) Zahlungsanspruch zu. Ein Vorbehalt zur Vermeidung eines „widersprüchlichen“ Verhaltens ist dann von vornherein nicht erforderlich, da der Tatbestand des § 814 BGB nicht erfüllt ist (Kammergericht, Urteil vom 11.09.2014 – 8 U 77/13).