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Kreatives zu Schriftformheilungsklauseln


Der Bundesgerichtshof hat mit Urteilen vom 22.01.2014 – XII ZR 68/10 – und vom 30.04.2014 – XII ZR 146/12 – entschieden, ein Grundstückserwerber bzw. ein Nießbrauchsberechtigter, die jeweils kraft Gesetzes durch Grundstückserwerb bzw. Erwerb des Nießbrauchrechts in einen bestehenden Mietvertrag eintreten, seien durch eine so genannte Schriftformheilungsklausel nicht gehindert, einen langjährigen Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformmangel zu kündigen.

Das Kammergericht Berlin hat nunmehr mit Beschluss vom 09.05.2016 – 8 U 54/15 – übereinstimmend mit dem Oberlandesgericht Braunschweig (Urteil vom 17.09.2015 – 9 U 196/14 ) entschieden, eine formularmäßige Schriftformheilungsklausel in einem Mietvertrag sei zwischen den ursprünglichen Parteien des Mietvertrages wirksam und führe dazu, dass die mit einem Schriftformmangel begründete vorzeitige Kündigung des Mietvertrages treuwidrig sei.

Der Entscheidung des Kammergerichts Berlin lag ein am 23.06.2012 geschlossener Mietvertrag über Gewerberäume in Berlin zu Grunde, der für die Zeit bis zum 31.08.2022 geschlossen wurde. Die Mieterin erklärte mit Schreiben vom 02.07.2014 die Kündigung zum 31.12.2014 und begründete dies damit, dass diverse Schriftformmängel vorlägen, die zur ordentlichen Kündbarkeit des Mietvertrags nach § 550 S. 1 BGB führten. Insbesondere hätten die Mietvertragsparteien eine Vereinbarung über die Vergütung von Sonderwünschen geschlossen, ohne dass diese nachträgliche Absprache zum Mietvertrag in der gesetzlichen Schriftform festgehalten worden sei. Das Kammergericht Berlin meint, die Kündigung sei treuwidrig und daher unwirksam, weil der Mietvertrag eine formularmäßige Schriftformheilungsklausel enthielt, mit der sich die Parteien verpflichteten, Schriftformmängel zu heilen. Im Verhältnis der ursprünglichen Vertragsparteien sei die auf einen Formmangel gestützte Kündigung treuwidrig, solange nicht erfolglos versucht wurde, die andere Partei zu einer Heilung des Schriftformmangels zu veranlassen.

Außerordentlich gewagt ist die Meinung des Kammergerichts, die Revision müsse nicht zugelassen werden, weil es angeblich in der obergerichtlichen Rechtsprechung unbestritten sei, dass eine Schriftformheilungsklausel zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien wirksam sei. Auch das Oberlandesgericht Braunschweig hat mit Urteil vom 17.09.2015 – 9 U 196/14 – die Rechtsmeinung vertreten, die auf einen Schriftformmangel gestützte Kündigung eines langfristigen Gewerberaummietvertrags sei treuwidrig, sofern die Parteien in dem insoweit schriftlich vorliegenden Gewerberaummietvertrag vereinbart haben, auf Verlangen die Handlungen vorzunehmen und die Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um der gesetzlichen Schriftform Genüge zu tun (Schriftformheilungsklausel). Das Oberlandesgericht Braunschweig hat allerdings die Revision zugelassen.

Die Entscheidungen des Kammergerichts Berlin und des Oberlandesgerichts Braunschweig dürften der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widersprechen. Die Auffassung des Kammergerichts und des Oberlandesgerichts Braunschweig, Schriftformheilungsklauseln seien zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien wirksam, dürfte nur schwerlich haltbar sein. Der Bundesgerichtshof hat nämlich ausgeführt, dass entsprechende Regelungen auch als Individualvereinbarung wegen eines Verstoßes gegen die zwingende Vorschrift des § 550 BGB unwirksam seien. Diese Unwirksamkeit dürfte sich wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion auch auf die ursprünglichen Vertragsparteien erstrecken. Das Oberlandesgericht Braunschweig hatte insoweit gemeint, der Grundsatz des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion (die Zurückführung einer unwirksamen Klausel auf ein zulässiges Maß ist nicht gestattet, vielmehr bleibt es bei der Totalunwirksamkeit) sei nicht einschlägig, weil es nicht darum gehe, die Schriftformheilungsklausel auf einen zulässigen Kern zurückzuführen, vielmehr sei streitgegenständlich die Beurteilung der Treuwidrigkeit des Verhaltens einer Partei. Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht. Wenn nämlich eine Schriftformheilungsklausel wegen eines Verstoßes gegen die zwingende Vorschrift des § 550 BGB unwirksam ist, kann eine unwirksame Regelung nicht zur Treuwidrigkeit einer Kündigung führen.

Bei einer Fortbildungsveranstaltung, die am 11.03.2016 vom Fortbildungsinstitut der Rechtsanwaltskammer Stuttgart GmbH durchgeführt wurde, erklärte der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Peter Günter, der Mitglied des für die Gewerberaummiete zuständigen XII. Zivilsenates ist, dass Schriftformheilungsklauseln, die auch einen Erwerber einbeziehen, der kraft Gesetzes in den Mietvertrag eintritt, auch im Verhältnis zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion unwirksam seien. Er empfehle deshalb, Schriftformheilungsklauseln so zu formulieren, dass diese nur die ursprünglichen Vertragsparteien binden. Aber auch insoweit müsse zu gegebener Zeit noch gesondert vom Bundesgerichtshof entschieden werden, ob derartige Vereinbarungen wirksam seien. Auch bei Schriftformheilungsvereinbarungen zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien könnte der zwingende Charakter von § 550 BGB möglicherweise zur Unwirksamkeit führen, worüber der Bundesgerichtshof aber noch intensiv bei entsprechendem Anlass nachdenken müsse. Unter Umständen müsse man zwischen individualvertraglich und formularvertraglich vereinbarten Schriftformheilungsklauseln unterscheiden. Auch bei Formularklauseln müsse man aber der Frage nachgehen, ob diese wegen Fehlens einer unangemessenen Benachteiligung wirksam seien, wenn man nicht annähme, dass bereits der zwingende Charakter von § 550 BGB zur Unwirksamkeit führe.

Aus Gründen der Rechtssicherheit wäre es sehr zu begrüßen, wenn der Bundesgerichtshof in nicht zu ferner Zukunft Gelegenheit erhielte, zu den etlichen noch offenen Fragen in Bezug auf Schriftformheilungsklauseln Stellung zu nehmen.