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BGH, Urteil vom 29.06.2016 – VIII ZR 173/15 – “Klarstellendes zur verspäteten Mietzahlung


Mit Schreiben vom 11.02.2013 kündigte die klagende Vermieterin einen Mietvertrag wegen Zahlungsverzugs und erhob Räumungsklage. Im Mietvertrag war vereinbart, dass die Miete im Voraus bis zum dritten Werktag zu zahlen ist. Nachdem die Behörden eine Verpflichtungserklärung zur Tragung der Mieten gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB abgegeben haben, die Mieten zu übernehmen, erklärten die Parteien den Rechtsstreit in der Sache für erledigt. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Mieterseite auferlegt. Im August 2013 blieb von der Miete ein Teilbetrag von EUR 40,21 offen. Am 28.10.2013 war von der Oktobermiete noch ein Teilbetrag von EUR 279,41 offen, der erst am 30.10.2013 bezahlt wurde. Mit Schreiben vom 28.10.2013 sprach die Vermieterin deshalb eine Abmahnung aus und verlangte für die Zukunft pünktliche Zahlung der (vollständigen) Miete.

Im November 2013 blieb die beklagte Mieterin zunächst einen Betrag von EUR 613,19 schuldig, woraufhin die Klägerin Ende November 2013 das gerichtliche Mahnverfahren einleitete. Am 29.11.2013 wurde der für den Monat November bestehende Rückstand ausgeglichen. Am 10.03.2014 war von der März-Miete noch ein Betrag von EUR 276,81 offen, der erst am 11.03.2014 bezahlt worden ist. Mit Schreiben vom 10.03.2014 erklärte die Klägerin wegen dieses Zahlungsverhaltens die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses.

Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Verweisung an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Das Urteil des Landgerichtes hält nämlich rechtlicher Nachprüfung nicht stand. So ist es bereits falsch, dass eine wegen unpünktlicher Mietzahlungen erfolgte Kündigung grundsätzlich ausgeschlossen sei, wenn die Mietzahlungen von einer Behörde erbracht würden und dies nicht rechtzeitig geschehen ist. Denn damit hat das Landgericht die nach der Generalklausel des § 543 Abs. 1 BGB erforderliche Prüfung und Abwägung unterlassen, ob der Vermieterseite unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein Festhalten am Vertrag bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder zu sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses unzumutbar ist. Auch hat das Landgericht ohne hinreichenden Sachvortrag ein Verschulden der Mieterin verneint. Zwar ist es richtig, dass sich ein Mieter ein Verschulden des Jobcenters nicht zuzurechnen hat. Denn wird eine Behörde im Rahmen der Daseinsvorsorge tätig, ist diese keine Erfüllungsgehilfin des Mieters.

Trotzdem kann sich ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung auch allein aus der unpünktlichen Mietzahlung selbst und damit der objektiven Pflichtverletzung und den für den Vermieter daraus folgenden negativen Auswirkungen ergeben. Die erforderliche Gesamtabwägung kann unabhängig von einem Verschulden des Mieters an den unpünktlichen Zahlungen zu dessen Lasten ausfallen, etwa weil zahlreiche Verspätungen aufgetreten sind, diese jeweils einen erheblichen Zeitraum und erhebliche Beträge betreffen oder der Vermieter in besonderem Maße auf den pünktlichen Erhalt der Miete angewiesen ist, weil er daraus seinen Lebensunterhalt bestreitet oder hiermit Kredite bedienen muss. Es kann auch eine Rolle spielen, ob das Mietverhältnis abgesehen von den unpünktlichen Mietzahlungen bisher störungsfrei verlaufen ist oder kurze Zeit vorher – wie vorliegend – bereits eine berechtigte fristlose Kündigung ausgesprochen worden ist. Es gibt auch keine allgemein gültigen Grundsätze, vielmehr obliegt die erforderliche Gesamtabwägung der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall, so der BGH.

Darüber hinaus war es auf der vom Landgericht festgestellten Grundlage falsch, das Verschulden des Mieters zu verneinen. Denn Verschulden wird bei Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung bereits vermutet. Nur, weil der Mieter auf Leistungen des Jobcenters angewiesen ist, wird diese Vermutung nicht widerlegt. Vielmehr muss der Mieter darlegen und beweisen, dass er die Leistungen rechtzeitig und unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen beantragt und bei etwaigen Zahlungsversäumnissen der Behörde er bei dieser auf eine pünktliche Zahlung gedrungen hat.

Nachdem das Gericht die hierfür notwendigen Feststellungen noch zu treffen hatte, musste das Urteil aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Der BGH bestätigt nach einem Urteil vom 04.02.2015 (VIII ZR 175/14) nochmals, dass Behörden nicht als Erfüllungsgehilfen des Mieters tätig sind. Dies hat zur Folge, dass etwaige Fehler des Jobcenters nicht die Fehler des Mieters sind. Allerdings wird ein eigenes Verschulden des Mieters (z.B. aufgrund verspäteter Antragstellung oder Vorlage von Unterlagen) vermutet, dieser muss sich entlasten. Auch ohne dieses Verschulden ist aber durchaus eine fristlose Kündigung aufgrund einer verspäteten Mietzahlung möglich. Es muss die Abwägung aller Einzelumstände erfolgen, allgemeingültige Grundsätze verbieten sich hier, so der Bundesgerichtshof. Auch ohne eigenes Verschulden kann damit im Einzelfall ebenfalls ein Grund für die fristlose Kündigung vorliegen. Der Mieter ist damit nur dann auf der sicheren Seite, wenn eine objektive Pflichtverletzung nicht vorliegt, demnach die Zahlungen pünktlich eingehen.