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BGH, Beschluss vom 20.09.2017 – XII ZR 76/17 Gewerbliches Mietrecht: Bau der DFB-Akademie


Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 20.09.2017 – XII ZR 76/17 die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Deutsche Fußball-Bund alsbald mit dem geplanten Bau seiner Akademie auf dem Gelände der Frankfurter Galopprennbahn beginnen kann. Der Beschluss ist – nicht nur für Fußballinteressierte – auch rechtlich interessant, denn er macht deutlich, dass Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Räumungsurteilen nur in seltenen Ausnahmefällen erfolgreich sind.

Der unter anderem für das Gewerberaummietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat den Antrag des Frankfurter Renn-Clubs e. V., die Zwangsvollstreckung aus Urteilen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main und des Landgerichts Frankfurt am Main einstweilen einzustellen, zurückgewiesen. Das Landgericht hat den beklagten Renn-Club unter anderem dazu verurteilt, das von ihm in Besitz gehaltene Gelände der Galopprennbahn in Frankfurt am Main sowie die dort von ihm genutzten Geschäftsräume zu räumen und an die Stadt Frankfurt am Main als Klägerin herauszugeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe gerichtet hat, und das Urteil des Landgerichts ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Revision gegen diese Entscheidung hat es zugelassen. Nach Einlegung der Revision beantragt die Beklagte, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts sowie aus dem Urteil des Landgerichts einstweilen einzustellen. Dieser Antrag hatte keinen Erfolg. Wird wie hier Revision (zum Bundesgerichtshof) gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 S. 1 ZPO). Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass die besonderen Voraussetzungen für eine solche Einstellung im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Hierbei sind die Ausführungen des Bundesgerichtshofs über den Einzelfall hinaus von großem Interesse, denn sie verdeutlichen, dass Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Räumungsurteilen in aller Regel unbegründet sein dürften. Die Interessen des Schuldners werden nämlich nach der in § 719 Abs. 2 S. 1 ZPO getroffenen gesetzlichen Wertentscheidung grundsätzlich hintangestellt, da seine Rechte durch ein in zwei Tatsacheninstanzen geführtes Erkenntnisverfahren hinreichend gewahrt erscheinen. Demgegenüber gebührt den Interessen des Gläubigers, dem das Gesetz die Vollstreckung aus einem erwirkten Titel gestattet, auch wenn dieser noch nicht rechtskräftig ist, in der Regel der Vorrang (BGH, Beschluss vom 22.07.1994 – XII ZR 150/94). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt hiernach nur in eng begrenzten Ausnahmefällen als letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners in Betracht (BGH NJW-RR 2012, 1088 Rn. 5). Dabei ergibt sich allein aus dem Umstand, dass die Vollstreckung das Prozessergebnis vorwegnehmen würde, kein unersetzlicher Nachteil im Sinne des § 719 Abs. 2 S. 1 ZPO (BGH, Beschluss vom 04.09.2014 – I ZR 30/14). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt daher die Verpflichtung zur Räumung für sich genommen keinen unersetzlicher Nachteil im Sinne von § 719 Abs. 2 S. 1 ZPO dar (vgl. zu § 712 Abs. 1 ZPO BGH, Beschluss vom 31.07.2013 – XII ZR 114/13).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte nicht glaubhaft gemacht (§ 719 Abs. 2 S. 2 ZPO), dass die Vollstreckung ihm einen über eine Vornahme des Prozessergebnisses hinausgehenden nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Zwar hat die Klägerin (die Stadt Frankfurt) bereits für das streitgegenständliche Gelände einen Erbbaurechtsvertrag mit dem DFB abgeschlossen und beabsichtigt, unmittelbar nach der Räumung das Grundstück an den DFB zu übergeben, damit dieser mit dem geplanten Bau der Akademie beginnen kann. Auch wenn insoweit mit der Vollstreckung endgültige Verhältnisse geschaffen werden, die im Falle eines Erfolges der Revision bestehen bleiben würden, bewirkt dies allein keinen unersetzlicher Nachteil für die Beklagte im Sinne von § 719 Abs. 2 S. 1 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 20.07.1994 – XII ZR 150/94). Ebenso wenig stellt es einen unersetzlicher Nachteil im Sinne von § 719 Abs. 2 S. 1 ZPO dar, dass der Beklagte mit Durchführung der Zwangsvollstreckung den Rennbahnbetrieb einstellen muss. Der Beklagte verfügt nach seinem eigenen Vortrag ohnehin nicht über die notwendigen Mittel, Rennveranstaltungen durchzuführen oder die hierfür notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen an dem Rennbahngelände durchzuführen. Der Einstellung der Zwangsvollstreckung mit oder ohne Sicherheitsleistung steht zudem ein überwiegendes Interesse der Klägerin entgegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass beide Tatsacheninstanzen (also das Landgericht Frankfurt und das Oberlandesgericht Frankfurt) zu ihren Gunsten entschieden haben. Zudem hat die Klägerin erhebliche materielle Folgen zu befürchten, falls die Räumung nicht zeitnah erfolgt. § 15.3 des Erbbaurechtsvertrags vom 12.11.2014 zwischen der Stadt Frankfurt am Main und dem Deutschen Fußballbund enthält ein Rücktrittsrecht des DFB für den Fall, dass ihm das Grundstück nicht rechtzeitig überlassen werden kann. Darüber hinaus drohen der Stadt Frankfurt erhebliche Schadensersatzforderungen des DFB, der bereits hohe Investitionskosten für das geplante Bauvorhaben getätigt hat. Schließlich, und dies wird den DFB besonders freuen, führt der Bundesgerichtshof aus, dass eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auch deshalb nicht in Betracht kommt, weil die Revision des Beklagten keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte.