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BGH, Urteil vom 23.11.2017 – I ZR 51/16 Der vorbehaltlos unterzeichnete Lieferschein und die Beweislast beim Transportschaden


Mit Urteil vom 23.11.2017 hat der Bundesgerichtshof über folgenden Fall zur Haftung des Frachtführers für Tiefkühlware, die die Mindesttemperatur bei Anlieferung deutlich überschritten hatte entschieden: In dem Transportauftrag war festgehalten, dass die Übernahmetemperatur während der Beladung vom Fahrer kontrolliert und auf dem Frachtbrief vermerkt werden muss. Bei Übernahme der Ware wurde als Übergabetemperatur handschriftlich -18,4 °C in einen Lieferschein eingetragen. Nach Anlieferung und Entladen der Ware wurde festgestellt, dass die Mindesttemperatur deutlich überschritten und die Ware nicht mehr verkaufsfähig war. Der Frachtführer hat sich im Verfahren darauf berufen, dass die Ware nicht ausreichend vorgekühlt war und der Fahrer tatsächlich bei Unterzeichnung des Frachtbriefs die Temperatur der Ware nicht gemessen hat und auch nicht messen konnte. Das Urteil des OLG Düsseldorf, das die Klage der Versicherung des Versenders abgewiesen hat, wurde durch den Bundesgerichtshof aufgehoben mit folgender Begründung:

Zunächst hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass der Absender für die Tatsache einer ausreichenden Vorkühlung beweispflichtig ist. Denn es obliegt dem Anspruchsteller, den Schadeneintritt im Obhutszeitraum des Frachtführers darzulegen und zu beweisen. Dazu gehört auch der Beweis, dass die Ware dem Frachtführer in einwandfreiem und unbeschädigtem Zustand übergeben wurde. Handelt es sich bei dem Transportgut um Tiefkühlware muss der Kläger auch beweisen, dass sie dem Frachtführer in ordnungsgemäß gekühltem Zustand übergeben wurde. Für eine ausreichende Vorkühlung spricht im Streitfall der vom Fahrer ohne Vorbehalt unterzeichnete Lieferschein mit einer Übernahmetemperatur von

– 18,4 °C. Der Beweis für die ordnungsgemäße Übergabe des Gutes kann nämlich auch durch eine vom Frachtführer oder seinem Fahrer ausgestellte Empfangsbestätigung (Übernahmequittung) geführt werden, auch wenn weder ein Ladeschein noch ein Frachtbrief ausgestellt worden ist. Die Beweiskraft einer solchen Übernahmequittung kann aber durch jeden Gegenbeweis entkräftet werden. Ob die Angabe im Lieferschein entkräftet ist konnte der Bundesgerichtshof nicht abschließend klären und hat das Verfahren daher zur weiteren Verhandlung an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen. Entscheidend ist aus Sicht des BGH, ob der Fahrer die Möglichkeit hatte, die Temperatur zu messen, wie dies von der Klägerseite vorgetragen wurde, oder ob entsprechend den Ausführungen der Beklagten der Fahrer daran gehindert wurde. War er nicht gehindert, hat der Bundesgerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass sich der Frachtführer dann nicht darauf berufen könne, dass er die Übernahmequittung „blind“ unterschrieben habe. Denn wenn er von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Überprüfung keinen Gebrauch mache und gleichwohl eine bestimmte Übernahmetemperatur bestätigt, handele der Frachtführer widersprüchlich und begründet die Übernahmequittung eine widerlegliche Vermutung, dass die Übernahmetemperatur zutreffend ist. Feststellungen hierzu wird das OLG Düsseldorf in einer weiteren Verhandlung treffen müssen.

Für den Absender ist es also wichtig, bei der Erstellung von Übernahmequittungen dem Frachtführer jedenfalls die Möglichkeit zu geben, den dort festgehaltenen Zustand der Ware zu überprüfen, was nicht nur für die Frage der Vorkühlung, sondern auch für alle anderen Feststellungen, z. B. zur Stückzahl und dem Zustand der Ware gilt. Der Frachtführer selbst wiederum sollte seine Fahrer anhalten, Empfangsquittungen nicht blind zu unterzeichnen und von Möglichkeiten, die dortigen Feststellungen zu überprüfen auch Gebrauch zu machen und, sollte er hieran gehindert werden, dies zu dokumentieren und am besten auch auf dem Lieferschein oder vergleichbaren Dokument zu vermerken.