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OLG Hamm, Urteil vom 11.11.2015 – 11 U 13/15 – “Der „richtige“ Restwert


Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind im Falle der Beschädigung eines Kraftfahrzeuges die Reparatur einerseits sowie die Ersatzbeschaffung (Erwerb eines gleichartigen, gebrauchten Fahrzeuges) andererseits grundsätzlich gleichwertig. Weiter besteht der Grundsatz, dass der Geschädigte nur Anspruch auf den notwendigen Geldbetrag hat, wobei das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten ist. Bei Abrechnung auf Totalschadenbasis wird durch den Schädiger/dessen Versicherer die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert (Zeitwert des beschädigten Fahrzeuges unmittelbar vor dem Unfall) und dem Restwert (Wert des unfallbeteiligten Fahrzeuges nach dem Unfall, unrepariert) ausgeglichen. Aus diesem Grund hat die gegnerische Versicherung stets ein starkes wirtschaftliches Interesse, dass ein möglichst hoher Restwert bei dieser Form der Schadenberechnung zu berücksichtigen ist, da sich dann deren eigene Zahlungspflicht entsprechend verringert.

Insoweit wurde durch das Oberlandesgericht Köln in einer Entscheidung vom 16.07.2012 – I-13 U 80/12 die Auffassung vertreten, der Geschädigte müsse dem Schädiger/dessen Versicherer auf Grundlage eines Gutachtens vor Verkauf des unfallbeteiligten Fahrzeuges zunächst Gelegenheit geben, ein etwaiges höheres Restwertangebot zu vermitteln.

Mit dieser Problematik hat sich nunmehr das Oberlandesgericht Hamm in einem Urteil vom 11.11.2015 – 11 U 13/15 intensiv auseinandergesetzt und ist auf Basis der gegenwärtigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sowie in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung zum Ergebnis gelangt, dass unter Berücksichtigung gewisser Voraussetzungen gerade keine Verpflichtung besteht, dem Schädiger bzw. dessen Versicherung zunächst Gelegenheit zu geben, ein höheres Restwertangebot zu vermitteln.

Überzeugend und nachvollziehbar wurde durch das OLG Hamm dargestellt, dass sich ein Geschädigter bei Abrechnung auf Totalschadenbasis wirtschaftlich verhält, soweit dieser auf Grundlage seine Erkenntnismöglichkeiten das höchste Restwertangebot berücksichtigt bzw. auswählt. Dies ist dann gewährleistet, soweit in einem Gutachten auf Basis des regionalen Marktes drei Angebote zum Restwert enthalten sind und das höchste Gebot gewählt wird bzw. ein Verkauf zu diesem Betrag erfolgt. Lediglich, soweit der Geschädigte bei Auswahl des Gutachters fehlerhaft vorgegangen ist oder aus sonstigen Umständen Kenntnis davon hat, dass der Restwert nicht ordnungsgemäß ermittelt wurde, kann sich dieser nicht auf den Inhalt des Gutachtens verlassen.

Darüber hinaus wurde überzeugend, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, durch das OLG Hamm ausgeführt, dass der Geschädigte der Herr des Restitutionsverfahrens, bezüglich der Vorgehensweise zur Schadenbeseitigung, ist und deshalb auch keine Obliegenheit besteht, dem Schädiger bzw. dessen Versicherer zunächst das Gutachten zu übersenden, wegen der Vermittlung eines möglicherweise höheren Restwertangebotes.

Auch wenn im vorliegenden Fall, auf Basis des selbst beauftragten Gutachtens, das unfallbeteiligte Fahrzeug für EUR 11.000,00 verkauft wurde, die gegnerische Versicherung jedoch ein annähernd doppelt so hohes Restwertangebot vermitteln wollte, blieb es dabei, dass für die Schadensabrechnung der tatsächliche Verkaufsbetrag, auf Basis des Gutachtens, heranzuziehen ist.

Allerdings ist das Urteil des OLG Hamm nicht rechtskräftig, Revision wurde eingelegt (BGH VI ZR 673/15).