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BGH, Urteil vom 08.07.2016 – V ZR 261/15 – “Darf die Wohnungseigentümerversammlung für ein Mandantengespräch unterbrochen werden?


Die Parteien des Rechtsstreits sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 17.07.2013 wurde ein Beschluss über die Wiederbestellung der Verwalterin gefasst, wobei der Beschluss auf Anfechtungsklage der Kläger für ungültig erklärt worden ist. Die Verwalterin hat das Urteil angefochten.

Am 21. 3. 2014 fand eine Eigentümerversammlung statt, in der unter dem TOP 4 eine Erörterung und gegebenenfalls Beschlussfassung über das weitere Vorgehen in dem anhängigen Rechtsstreit sowie die Abstimmung über einen Antrag auf einen Zweitbeschluss zur Wiederbestellung der Verwalterin vorgesehen war, wobei an der Versammlung auch der Kläger teilnahm. Nachdem der Geschäftsführer der Verwalterin als Versammlungsleiter über den Stand des gerichtlichen Verfahrens berichtet hatte, rief er den Prozessbevollmächtigten, der die übrigen Wohnungseigentümer (demnach nicht die Kläger) – in dem Anfechtungsverfahren vertrat in den Versammlungsraum, um ein Mandantengespräch mit den anwesenden Eigentümern zu führen. Dabei forderte der Rechtsanwalt den Kläger (den er im Vorprozess nicht vertrat) zum Verlassen des Versammlungsraumes auf. Die Versammlung wurde daraufhin unterbrochen, woraufhin der Kläger unter Protest den Raum verließ. Nach Beendigung des Mandantengespräches wurde die Versammlung in Anwesenheit des Klägers fortgeführt und nach erneuter Diskussion die Wiederbestellung der Verwalterin beschlossen.

Dieser Beschluss wurde angefochten, die Begründung, der Kläger sei zu Unrecht von der Versammlung aufgrund der Unterbrechung für das Mandantengespräch ausgeschlossen worden, aber erst im Berufungsverfahren vorgebracht.

Die Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Zunächst stellt der Bundesgerichtshof fest, dass der Beschluss über die Wiederbestellung der Verwalterin nicht nichtig ist, da die Unterbrechung der Wohnungseigentümerversammlung für die Unterredung der Wohnungseigentümer mit ihrem Prozessbevollmächtigten nicht als Teil der Eigentümerversammlung zu qualifizieren ist. Daher sind die Kläger nicht in ihrem Recht auf Teilnahme an der Wohnungseigentümerversammlung beschnitten worden.

Der Bundesgerichtshof führt aber weiter aus, dass die Entscheidung des Versammlungsleiters über die Vornahme einer Unterbrechung ermessensfehlerhaft war. Denn die Unterbrechung einer Wohnungseigentümerversammlung zu dem Zweck, den von einem Beschlussanfechtungsverfahren betroffenen Wohnungseigentümern ein Informationsgespräch mit ihrem Prozessbevollmächtigten zu ermöglichen, entspricht regelmäßig nicht einer ordnungsmäßigen Durchführung der Wohnungseigentümerversammlung. Es ist zwar den beklagten Wohnungseigentümern zuzugestehen, sich durch ihren Prozessbevollmächtigten über einen laufenden Rechtsstreit zu informieren und sich beraten zu lassen. Zu einer sachgerechten Beratung erfordert es aber nicht, das Mandantengespräch auf den Zeitpunkt einer bereits laufenden Eigentümerversammlung zu legen. Zumutbar ist es den Wohnungseigentümern Informationsgespräche zeitlich so zu legen, dass die Eigentümerversammlung nicht tangiert wird. Als ermessensfehlerhaft rügt der Bundesgerichtshof ebenfalls, dass die Unterbrechung nicht auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt wurde, sondern ausgeschlossene Eigentümer über die Fortsetzung der Versammlung völlig im Ungewissen geblieben sind. Eine Unterbrechung der Eigentümerversammlung ohne eine zumindest ungefähre vorherige Festlegung der Unterbrechungsdauer ist mit einer ordnungsmäßigen Versammlungsführung nicht vereinbar.

Der anfechtende Eigentümer konnte jedoch mit seinem Vortrag im Ergebnis nicht durchdringen, da er den Fehler nicht innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist (§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG) gerügt hat. Demnach darf eine Eigentümerversammlung zum Zwecke der Führung eines Mandantengespräches nur bei besonderen Umständen unterbrochen werden, wenn demnach ein sachlicher Grund vorliegt. Nachdem es sich hierbei um einen dehnbaren Begriff handelt, empfiehlt es sich Mandantengespräche so zu legen, dass die Abhaltung der Eigentümerversammlung hiervon unberührt bleibt.