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Brandenburgisches OLG, Urteil vom 07.02.2017 – 6 U 169/14 – “Außerordentliche Kündigung aufgrund bestehender Schadstoffbelastung mit DDT


Mit Urteil vom 07.02.2017 (6 U 169/14) behandelte das Brandenburgische Oberlandesgericht Rechtsfragen im Zusammenhang mit der außerordentlichen Kündigung eines Mietverhältnisses über mit dem Schadstoff DDT belastete Räume. Bei der Mietsache handelt es sich um ein Mitte des 19. Jahrhunderts als Getreidespeicher errichtetes und unter Denkmalschutz stehendes Gebäude, das vom Land Brandenburg als Gericht genutzt wird. In den Mieträumen ist sichtbar altes Holzgebälk vorhanden, welches zu DDR-Zeiten mit dem Holzschutzmittel Hylotox 59 behandelt wurde. Das eingesetzte Mittel enthält unter anderem Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT). Festgestellt wurde, dass einige der Gerichtsräume eine hohe DDT-Belastung aufweisen. Die Mieterin (das Land Brandenburg) erklärte mit Schreiben vom 05.07.2012 die außerordentliche Kündigung des noch einige Jahre laufenden Mietvertrags zum 30.09.2012. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dieser fristlosen Kündigung.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht führt aus, dass die außerordentliche fristlose Kündigung wirksam ist und zur Beendigung des Mietverhältnisses zum 30.09.2012 führte. Der Umstand, dass die Beendigung des Mietvertrages nicht mit sofortiger Wirkung, sondern mit Wirkung zum 30.09.2012 herbeigeführt werden sollte, ist unschädlich. Eine außerordentliche Kündigung kann in wirksamer Weise mit Auslauffrist für einen bestimmt bezeichneten späteren Zeitpunkt wirksam ausgesprochen werden (BGHZ 156, 328). Für die im Streitfall über einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten bemessene Auslauffrist hat im Hinblick auf die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung eines Auszugs des Gerichts aus den Mieträumen auch ein sachlicher Grund bestanden. Das Oberlandesgericht führt weiter aus, dass es nicht erforderlich war, im Kündigungsschreiben anzugeben, aus welchem wichtigen Grund außerordentlich gekündigt wird. Zwar sieht § 569 Abs. 4 BGB ein Begründungserfordernis vor, das aber nur für Wohnraummietverhältnisse gilt, nicht aber für Räume, die keine Wohnräume sind. Darüber hinaus geht das Oberlandesgericht Brandenburg davon aus, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen erheblicher Gesundheitsgefährdung nach § 569 Abs. 1 BGB i.V.m. § 578 Abs. 2 S. 3 BGB bestand. Nach § 569 Abs. 1 BGB liegt ein wichtiger Grund für den Mieter dann vor, wenn der Mietraum so beschaffen ist, dass seine Benutzung mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist. Die Vorschrift des § 569 Abs. 1 BGB bezweckt, im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung wirtschaftlichen Druck auf Vermieter auszuüben, zum Aufenthalt von Menschen bestimmte Räume gesundheitsgerecht zu gestalten (BGHZ 157, 233). Aus diesem Grund berechtigt nicht erst ein Schadenseintritt, sondern bereits die Gefährdung zur Kündigung. Erforderlich ist die naheliegende Wahrscheinlichkeit oder erhebliche Befürchtung einer Beeinträchtigung der Gesundheit oder körperlichen Unversehrtheit mit Krankheitscharakter (OLG Brandenburg ZMR 2009, 190; OLG Düsseldorf MietRB 2010, 134; Münchener Kommentar, BGB, § 569 Rn. 7). Demnach ist ein Kündigungsrecht eröffnet, wenn nach dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft ernsthaft zu besorgen ist, dass mit der Benutzung der Räume in absehbarer Zeit für die geschützten Personen eine erhebliche Gesundheitsgefährdung im Sinne der Beeinträchtigung ihres körperlichen Wohlbefindens verbunden ist (OLG Brandenburg NJW-RR 2013, 76; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl., § 569 Rn. 10). Diese Voraussetzungen lagen aufgrund der Feststellungen eines Sachverständigen vor.

Die Kündigung scheiterte auch nicht daran, dass der Mieter (das Land Brandenburg) dem Vermieter keine angemessene Abhilfefrist gemäß § 543 Abs. 3 S. 1 BGB setzte, denn ein solches Vorgehen war im Streitfall nach § 543 Abs. 3 S. 2 BGB ausnahmsweise entbehrlich. Einer Fristsetzung oder Abmahnung bedarf es nicht, wenn diese offensichtlich keinen Erfolg verspricht oder die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist. Vorliegend hätte eine Fristsetzung bzw. Abmahnung nach Ansicht des Oberlandesgerichts keinen Erfolg versprochen. Zwar hat der Vermieter das Vorhandensein einer Gesundheitsbeeinträchtigung nicht in Abrede gestellt und Abhilfemaßnahmen auch in Aussicht gestellt. Die vom Vermieter vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen waren aber ausweislich eines vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens nicht geeignet, die Gesundheitsgefährdung abzuwenden. Das Oberlandesgericht legt ferner dar, dass der Mieter berechtigt war, das gesamte Mietverhältnis zu kündigen, obgleich die gesundheitsgefährdende Schadstoffbelastung nur in einigen Räumen (nämlich den Räumen 201 bis 211, 225 und 248) festgestellt wurde. Weist ein Teil der Mietsache einen gesundheitsgefährdenden Zustand auf, besteht das Recht zur Kündigung, wenn die Benutzung der Mietsache im Ganzen erheblich beeinträchtigt ist, wobei vom Mieter nicht verlangt werden kann, den Gebrauch der Räume in erheblichem Umfang einzuschränken (Münchner Kommentar, BGB, § 569 Rn. 7; Palandt, BGB, § 569 Rn. 7). Mithin ist von einer erheblichen Beeinträchtigung im Ganzen bereits dann auszugehen, wenn die Benutzung einzelner Haupträume mit einer erheblichen Gesundheitsgefährdung verbunden ist. So verhielt es sich im Streitfall, denn die gesundheitsgefährdende Beschaffenheit betraf nicht bloße Nebenflächen, wie Keller- oder Abstellräume.

Der Vermieter hatte auch noch vergeblich geltend gemacht, ihm stünden für die Zeit nach der Rückgabe der Mietsache Nutzungsentschädigungsansprüche wegen Vorenthaltens der Mietsache nach § 546 a Abs. 1 BGB zu. Das Oberlandesgericht führt aus, Vorenthalten bedeute die Nichterfüllung der Rückgabepflicht aus § 546 Abs. 1 BGB gegen den Willen des Vermieters. Die Rückgabepflicht erfüllt der Mieter, wenn er die Mietsache räumt und die Verfügungsgewalt über sie vollständig aufgibt. Ein Vorenthalten liegt nur dann vor, wenn die Mietsache – etwa wegen Zurücklassens von Einrichtungen oder Gegenständen – unzureichend geräumt wurde. Ob sich eine Mietsache im Hinblick auf Schönheitsreparaturen etc. in dem vertraglich geschuldeten Zustand befunden hat, ist für die Rückgabe ohne Bedeutung.