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OLG Celle, Beschluss vom 27.06.2017 – 2 U 63/17 Auch nach fristloser Kündigung dürfen Schlösser nicht ausgetauscht werden


Immer wieder kommt es vor, dass Vermieter nach Ausspruch einer wirksamen fristlosen Kündigung ohne Inanspruchnahme des Gerichts und von Vollstreckungsorganen (Gerichtsvollzieher) die Räumung des Mieters selbst zwangsweise bewerkstelligen wollen. Das geht wegen des Gewaltsmonopols des Staates schlicht nicht. Der Mieter kann sich im Wege einstweiliger Verfügung und darüber hinaus sogar gewaltsam wehren. Auf die Frage der Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung kommt es nicht an.

Diese Grundsätze hat das Oberlandesgericht Celle mit Beschluss vom 27.06.2017 – 2 U 63/17 – erneut bekräftigt. Der Vermieter hatte wegen Beleidigungen fristlos gekündigt. Der Vermieter tauschte daraufhin das Türschloss der Hauseingangstür zum Bürogebäude und das Schloss am Tor der Lagerhalle einfach aus, um dem ehemaligen Nutzer keinen Zutritt zu ermöglichen. Der Mieter hat innerhalb einer Stunde nach Kenntniserlangung das Türschloss der Lagerhalle gewaltsam aufgebrochen und dann eine einstweilige Verfügung gegen den Vermieter erwirkt. Dessen Berufung war aussichtslos. Das Oberlandesgericht Celle führt aus, dass der Vermieter mit dem Austausch des Türschlosses der Hauseingangstür zum Bürogebäude und des Schlosses am Tor der Lagerhalle zweifelsfrei eine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 BGB mit der Folge begangen hat, dass sich der Mieter dieser verbotenen Eigenmacht mit Gewalt erwehren konnte (§ 859 Abs. 1 BGB) und ihm überdies gemäß § 861 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Wiedereinräumung des durch verbotene Eigenmacht entzogenen Besitzes zustand. Der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihm nach der von ihm erklärten fristlosen Kündigung ein Anspruch auf Herausgabe der Mietsache zustand, denn gemäß § 863 BGB kann gegenüber dem Anspruch aus § 861 BGB ein Recht zum Besitz oder zur Vornahme der störenden Handlung gerade nicht geltend gemacht werden. Die Geltendmachung solcher Einwendungen ist grundsätzlich ausgeschlossen (Palandt, BGB, § 863 Rn. 1). Erst recht berechtigten den Vermieter auch nicht die von ihm behaupteten permanenten Vertragsverletzungen des Mieters in Form von persönlichen Angriffen, Beleidigungen oder Bedrohungen sich eigenmächtig den Besitz an der vermieteten Sache zu verschaffen.

Der Anspruch des Mieters aus § 861 BGB ist auch nicht deshalb entfallen, weil Mitarbeiter des Mieters das Schloss des Tors zur Lagerhalle aufgebrochen haben. Der Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes ist nämlich nicht bereits dann erfüllt, wenn es dem Mieter möglich ist, die tatsächliche Gewalt über einen Teil der entzogenen Mietsache auszuüben. Bei verschlossenen Räumen kann von der Verschaffung des Besitzes erst dann gesprochen werden, wenn der Mieter einen ordnungsgemäßen Zugang zu sämtlichen Räumen hat und die entsprechenden Schlüssel besitzt (so etwa Erman, BGB, § 854 Rn. 4). Angesichts dessen konnte keine Rede davon sein, dass der Mieter allein mit der tatsächlichen Möglichkeit, die Lagerhalle zu betreten, Besitz an der entzogenen Mietsache erlangt hat.

Der Vermieter konnte dem Mieter auch nicht erfolgreich entgegenhalten, der Mieter habe durch das Aufbrechen des Schlosses des Tores zur Lagerhalle selbst eine verbotene Eigenmacht begangen. Der Mieter durfte sich nämlich der vom Vermieter begangenen verbotenen Eigenmacht mit Gewalt erwehren (§ 859 Abs. 1 BGB). Ein Aufbrechen des Schlosses zur Lagerhalle eine Stunde nach Feststellen des Austauschen ist auch als „sofort“ im Sinne von § 859 Abs. 3 BGB („Wird dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sofort nach der Entziehung sich des Besitzes durch Entsetzung des Täters wieder bemächtigen.“) anzusehen. Denn „sofort“ bedeutet nicht unverzüglich, sondern so schnell wie möglich wie dies nach objektiven Maßstäben ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Entziehung möglich ist (so Palandt, BGB, § 859 Rn. 4). Diese Voraussetzung ist bei einer Reaktion binnen Stundenfrist gewahrt.