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Jahrelange Zahlung nicht geschuldeter Nebenkosten


Nicht selten kommt es vor, dass Mieter jahrelang Nebenkosten zahlen, die nach dem Mietvertrag nicht ge-schuldet werden. Die Gründe können mannigfach sein. Manchmal fällt es dem zuständigen Sachbearbeiter gleichsam „wie Schuppen von den Augen“ und er erkennt nach Jahren, dass der Mietvertrag keine Rechts-grundlage für die Umlage bestimmter Nebenkosten enthält. Nicht selten kommt es auch vor, dass die Rechtsprechung Umlageklauseln für unwirksam hält, die jahrelang als unproblematisch angesehen wurden. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob der Mietvertrag, der keine hinreichende Grundlage für die Umlage bestimmter Nebenkosten enthält, durch die jahrelange Praxis stillschweigend (konkludent) abgeändert wur-de, mit der Folge, dass der Mieter auch zukünftig solche Betriebskosten zahlen muss, die nach dem ur-sprünglichen Mietvertrag nicht geschuldet waren. Darüber hinaus ist zu entscheiden, ob der Mieter berech-tigt ist, nicht geschuldete Nebenkostenzahlungen zurückzufordern, soweit noch keine Verjährung eingetreten ist. 1. Grundsätzlich keine Vertragsänderung durch jahrelange Zahlung.
Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass im Regelfall auch jahrelange Zahlungen nicht zu einer Änderung des Mietvertrages führen.
Berechnet der Vermieter Betriebskosten, die er nach dem Mietvertrag nicht umlegen kann, und leistet der Mieter jahrelang vorbehaltlos Zahlung, dann führt dies im Regelfall nicht dazu, dass der ursprüngliche Mietvertrag stillschweigend abgeändert wurde und der Mieter auch künftig diese Nebenkosten schuldet. Eine Vertragsänderung durch schlüssiges Verhalten setzt nach der neueren Rechtsprechung des BGH (NZM 2008, 81 = NJW 2008, 283) voraus, dass der Vermieter nach den Gesamtumständen davon ausgehen kann, dass der Mieter einer Umlage weiterer, im ursprünglichen Mietvertrag nicht geregelter Betriebskosten zustimmt. Dafür reicht es aber grundsätzlich nicht aus, dass der Mieter Betriebskostenabrechnungen unter Einbeziehung bisher nicht vereinbarter Betriebskosten lediglich nicht beanstandet und vorbehaltlos zahlt. Insbesondere die bloße Übersendung einer Abrechnung stellt sich für den Mieter in aller Regel nur als Resultat einer Umsetzung der bisherigen vertraglichen Vereinbarungen dar. Der Mieter zahlt den Abrechnungssaldo dann in der Vorstellung, hierzu verpflichtet zu sein. In solchen Fällen kann ein rechtsgeschäftlicher Änderungswille des Mieters nicht angenommen werden (vgl. Schmid, ZMR 2008, 110). Selbst eine jahrelange Zahlung auf dem Mieter übermittelte Betriebskostenabrechnungen wird grundsätzlich nicht zur Annahme einer stillschweigenden Vertragsänderung ausreichen (so auch LG Itzehoe, NZM 2010, 158, 159).
Instruktiv ist das Urteil des BGH vom 10.10.2007 – VIII ZR 279/09, NZM 2008, 81. Der Vermieter hatte argumentiert, durch jahrelange anstandslose Zahlung der Nebenkostenabrechnungen sei die Umlagever-einbarung des ursprünglichen Mietvertrages abgeändert und erweitert worden. Dem schloss sich der BGH nicht an. Der Bundesgerichtshof führte aus:
„Auch mit der Rüge, durch jahrelange anstandslose Zahlung der Nebenkostenabrechnungen sei (nachträglich) eine stillschweigende Vereinbarung über die in den jeweils erstellten Abrechnungen enthaltenen Be-triebskosten zwischen den Parteien zustande gekommen, dringt die Revision nicht durch.
Der von dem Kl. vorgetragene Sachverhalt rechtfertigt nicht die Annahme, die geltend gemachten weiteren Betriebskosten seien aufgrund einer stillschweigenden Vertragsänderung geschuldet. Ein Änderungsvertrag, der eine erweitere Umlage von Betriebskosten zum Gegenstand hat, kann zwar grundsätzlich auch stillschweigend zustande kommen (Senat, NZM 2004, 418; BGH NZM 2000, 961). Erforderlich ist dafür aber, dass der Vermieter nach den Gesamtumständen davon ausgehen kann, dass der Mieter einer Umlage weiterer Betriebskosten zustimmt. Dafür reicht es grundsätzlich nicht aus, dass der Mieter Betriebskos-tenabrechnungen unter Einbeziehung bisher nicht vereinbarter Betriebskosten lediglich nicht beanstandet. …
Außerdem lässt sich aus der Sicht des Mieters der Übersendung einer Betriebskostenabrechnung, die vom Mietvertrag abweicht, schon nicht ohne weiteres der Wille des Vermieters entnehmen, eine Änderung des Mietvertrags herbeizuführen. Selbst wenn er daraufhin eine Zahlung erbringt, kommt darin zunächst allein die Vorstellung des Mieters zum Ausdruck, hierzu verpflichtet zu sein (Langenberg, in: Schmidt-Futterer, MietR, 9. Aufl., § 556 Rdnr. 58). Anders verhält es sich, wenn aufgrund besonderer Umstände der Änderungswille des Vermieters für den Mieter erkennbar war, wie dies in der von der Revision angeführten Entscheidung der Fall war (BGH, NZM 2000, 961 = NJW-RR 2000, 1463). Dort ergaben sich Anhaltspunkte für den Mieter, dass eine Vertragsänderung gewollt war. Es hatte ein Vermieterwechsel bei einem Mietervertrag über Gewerberaum stattgefunden, wobei der neue Vermieter umfassend Nebenkosten in Rechnung stellte, während sich die Abrechnung zuvor auf die Kosten für Heizung und Warmwasser beschränkt hatte. Solche besondere Umstände lagen hier nicht vor.“
Wenn Vermieter demnach meinen, aus dem zitierten Urteil des BGH vom 29.5.2000 (NZM 2000, 961) folge, die jahrelange Zahlung nicht geschuldeter Nebenkosten bewirke eine Vertragsänderung, dann ist dies demnach nicht richtig. Das Urteil vom 29.5.2000 betraf nämlich den Sonderfall, dass der ursprüngliche Vermieter wie im Mietvertrag geregelt nur Kosten für Heizung und Warmwasser umlegte. Nach einem Ver-mieterwechsel stellte der neue Vermieter umfassend Nebenkosten in Rechnung. In diesem Falle war es für den Mieter erkennbar, dass der Vermieter die ursprüngliche mietvertragliche Umlagevereinbarung ändern und erheblich erweitern wollte. Zahlt der Mieter dann aber dennoch nicht geschuldete Nebenkosten, kann hieraus auf den vertraglichen Willen des Mieters geschlossen werden, ein Angebot des Vermieters auf da-hingehende Änderungen des Mietvertrages annehmen zu wollen, dass künftig weitere Nebenkosten ge-schuldet sein sollen. In aller Regel bedeutet die Zahlung nicht geschuldeter Nebenkosten somit, dass keine stillschweigende Vertragsänderung mit der Rechtsfolge vorliegt, dass der Mieter verpflichtet ist, auch künftig die nach dem ursprünglichen Mietvertrag nicht geschuldeten Betriebskosten zu tragen.

Rückzahlungsansprüche?
Soweit in der Vergangenheit unberechtigte Zahlungen geleistete wurden, stellt sich die Frage, ob ein Rückzahlungsanspruch des Mieters besteht, soweit noch keine Verjährung eingetreten ist. Einschlägig ist die dreijährige Regelverjährungsfrist nach § 195 BGB.
Die frühere überwiegende Meinung in Literatur und Rechtsprechung ging davon aus, in der vorbehaltlosen Zahlung einer Nachforderung durch den Mieter liege ein kausales oder deklaratorisches Schuldanerkennt-nis, das den Saldo verbindlich werden lasse, Rückforderungen mithin ausschließe (so z.B. Langenberg, in: Schmidt-Futterer, MietR, § 556, Rn. 403; LG Aachen, NZM 2001, 707 L; LG Berlin, MDR 1990, 550; LG Köln, ZMR 2001, 547; LG Bayreuth, NZM 2005, 616). Teilweise heißt es, eine vorbehaltlose Abrechnung und ein vorbehaltloser Ausgleich schlössen nachträglich Einwendungen aus, die zur Zeit des Zugangs der Abrechnung möglich gewesen seien (so Bamberger/Roth, BGB, § 556, Rn. 68).
Diese Rechtsauffassung lässt sich aber wohl nicht mehr halten. Die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Karin Milger hat in einem Aufsatz in der NZM 2009, 497 sehr überzeugend dargelegt, dass die bloße Zah-lung kein Schuldanerkenntnis darstelle. Vielmehr müsse das Verhalten des Mieters im Zusammenhang mit der Nebenkostenabrechnung den Schluss auf Willenserklärungen im Sinne einer vertraglichen Verbindlich-keit der Abrechnung zulassen.
Da Frau Milger dem Wohnrechtsmietsenat des BGH angehört und der Gewerberaummietsenat in den letzten Jahren stets der Rechtsprechung des Wohnraummietsenats gefolgt ist, ist also mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Bundesgerichtshof bei nächster Gelegenheit entscheiden wird, dass die bloße Zahlung nicht als Schuldanerkenntnis mit der Rechtsfolge zu qualifizieren ist, dass Rückzahlungsansprüche gegeben sind, wenn ein Mieter Betriebskosten bezahlt, die nach dem Mietvertrag nicht umlagefähig sind.